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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 356

Degen, schweizerisch um 1650/1660, sogenannter «Promenier- oder Seitendegen». Das Gefäss möglicherweise eine Arbeit des Goldschmieds Hans Ulrich Oeri (1610-1675), Zürich.

Messinggefäss, aus gegossenen und ziselierten Teilen zusammengesetzt, vergoldet, etwas berieben. einige Gefässteile aus Silber. Konischer, feigenförmiger, gewundener Knauf mit acht Zierkehlungen. Die Kanten zwischen den Zierkehlungen sind gespalten. Der Knauf erhebt sich über einer scheibenförmigen Basis. Kugeliger Vernietknauf mit einer Basisrosette aus Silber. Die kurzen, gerundeten Parierstangenarme enden in sechsfach gekehlten, in der Art des Knaufs verarbeiteten Abschlüssen mit Silbernoppen. Der ovale in der flächigen Griffbasis zweifach verschraubte Parierring weist aussen und innen breite Zierrillen auf. Die vierkantige Griffbasis schmückt beidseitig ein vertikales Band mit Zierrillen. Das gegossene Griffstück weist ebenfalls spiralige Zierkehlungen mit gespaltenen Kanten auf. Es wird von zwei silbernen Zwingen in stilisierter Kranzform begrenzt.
Zweischneidige Klinge (Länge 86,5 cm, Breite 2,6 cm), linsenförmiger Querschnitt, Bläuungsspuren, ornamentaler Ätzdekor.

Gesamtlänge: 102 cm Gewicht: 620 g
Provenienz: Antiquar Siegfried Bühler, Zürich 1961.

Kommentar

Für diese leichten, eleganten Griffwaffen, die sich gemäss Normann dank datierten Beispielen und ikonographisch seit ca. 1635 nachweisen lassen, führte der bekannte englische Waffenhistoriker Sir Guy Laking zu Beginn des 20.Jahrhunderts die Bezeichnung «Pillow sword», «Kopfkissendegen», ein. Diese Degen wurden gerne anstelle der voluminöseren und schwereren Rapiere als Promenierwaffe getragen. Dass sie zur Selbstverteidigung des Hausherrn bevorzugt am Kopfende des Bettes aufgehängt worden seien, was Laking zu seiner Namensgebung veranlasste, lässt sich wie ein weiterer namhafter Waffenhistoriker, Sir James Mann, feststellte, nicht belegen. In den Inventaren des schwedischen Feldmarschalls Wrangel von 1645 und 1653 wird eine derartige Waffe als « Seiten-Degen» aufgeführt, in einem königlich dänischen Inventar 1775 erscheinen sie als «Galanterie-Degen».
Bei dem in Messing und Silber gearbeiteten Gefäss, handelt es sich um eine Goldschmiedearbeit. Es ist daher durchaus möglich, dass es sich bei dieser Waffe aus Zürcher Besitz um ein Produkt des in Zürich aktiven Goldschmieds Hans Ulrich I. Oeri (1610-1675) handelt, der 1634 Meister wurde und dessen Sohn Hans Peter (1637-1692) sich vor allem als Hersteller von hochwertigen Griffwaffengefässen aus Messing einen Namen machte. Weitere Erzeugnisse, ein Rapier (LM 11683) und ein Degen (LM 75557), beide mit vergoldeten, goldschmiedemässig verarbeiteten Messinggefässen, können ebenfalls Hans Ulrich Oeri zugeschrieben werden. Der Dekor weist das im Schweiz.Landesmuseum aufbewahrte Rapier und den Promenier-Degen als eine Garnitur aus. Mit Hilfe der belederten Degenscheide, welche dreimal mit dem Arterwappen gemarkt ist, kann ein direkter Bezug zu Zürich hergestellt werden, waren doch im 17.Jahrhundert mehrere Vertreter der Familie Arter als Degen- oder Messerschmiede und Scheidenmacher tätig. Zudem unterhielten die Arter nachweislich Kontakte zu den Goldschmieden Oeri.
Literatur: Finn Askgaard, Det Kongelige Partikulaere Rustkammer II, Kobenhavn 1988, S.231, 233. Barocker Luxus, Das Werk des Zürcher Goldschmieds Hans Peter Oeri, 1637-1692, Katalog Schweiz.Landesmuseum, hg.Hanspeter Lanz, Jürg A.Meier, Matthias Senn, Zürich 1988, S.59. Boccia, Museo Stibbert op.cit., S.127, Nr.351 mit Abb.304 a. Sir Guy Francis Laking, A Record of European Armour and Arms through seven Centuries, Vol.5, London 1922, S.81-85, Abb.1499, 1501, 1502. Norman, Rapier & Small Sword op.cit., S.184-186, hilt 106, Abb.92, 93, 95, 98, 100. Hugo Schneider, Schwerter und Degen, Bern 1971, S.15, Nr.29 mit Abb. Seitz, Blankwaffen II op.cit. S.46-50, Abb.39, 40. Ake Meyerson, Lena Rangström, Wrangels Armoury, 1984, S.318. Schweiz.Landesmuseum 1996, 105.Jahresbericht, S.49, Abb.49, S.56. Jürg A.Meier, Messing statt Silber, Die Anfänge der Griffwaffenproduktion der Zürcher Goldschmiede Hans Ulrich I. ( 1610 - 1675 ) und Hans Peter Oeri ( 1637 - 1692 ), in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Bd.69, Heft 2, 2012, S.123-140.