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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 49

Säbel, schweizerisch, 1. Viertel 18. Jahrhundert

Eisengefäss, gegossener Löwenkopfknauf aus Messing, vertikal S-förmige Parierstange, Rundeisen. Die Parierstangenarme enden in kleinen aufgesetzten Messing-Löwenköpfen. Die obere Parierstange wird durch eine Messingkette mit dem Knauf verbunden. Zweiteiliges Stichblatt, eine Stichblatthälfte besteht jeweils aus einem getriebenen, nierenförmigen Messingblech mit einfachem ornamentalem Dekor in Rundeisenfassungen. Das kleinere, rückwärtige Stichblatt ist zusätzlich mit einem Daumenbügel ausgestattet. Spiralig gerillter Griff mit Drahtwicklung.
Rückenklinge (Länge 72 cm, Breite 3,1 cm), möglicherweise etwas gekürzt, Rückenhohlschliff, Ätzdekor: Devisen, «Vinncere aut mori/Verbum dominum»/«Romanus P[l]oinis, Concordia Rex», dazu Türkenköpfe, Blumen und aus Wolken ragende Säbel.

Gesamtlänge: 88,5 cm, Gewicht: 1030 g
Provenienz: Galerie Fischer, Luzern, 4. 12. 1963.

Kommentar

In der Tradition der Schweizersäbel des 16. Jahrhunderts wurden in der Schweiz Löwenkopfknäufe bis ins 3. Viertel des 18. Jahrhunderts auf Säbelgefässe montiert. Die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus Eisen geschmiedeten oder gegossenen, nachträglich überarbeiteten, zuweilen kunstvoll geschnittenen Löwenkopfknäufe wurden zu Ende des 17. Jahrhunderts von messingenen Löwenkopfknäufen abgelöst. Bereits um 1600 lässt sich bei einigen Schweizersäbeln die Verwendung fein ziselierter, vergoldeter Messing- oder Bronzeknäufe in Löwenkopfform nachweisen, qualitätsvolle Arbeiten, die eher von der Hand eines Goldschmieds denn eines Gürtlers stammen dürften. Die seit ca. 1700 in der ganzen Schweiz gebräuchlichen, mittels einfachen Gussformen aus Messing hergestellten Löwenkopfknäufe wurden zumeist nur geringfügig überarbeitet. Trotz der Verwendung von Messing für Knäufe oder Stichblätter fertigte man die restlichen Gefässteile (Griffbügel, Seitenbügel, Parierstange und Stichblattfassungen) bis um 1740/50 weiterhin aus Eisen.
Es war Bern, das um 1740 erstmals für die Infanterie-Unteroffiziere einen vollständig messinggarnierten, ordonnanzmässigen Säbel mit einem korbartigen Gefäss, Löwenkopf- oder Kugelknauf und «Bärenstichblatt» einführte. Im Gegensatz zu Schweden, Frankreich, Österreich oder Preussen vermochte sich Messing als Gefässmaterial für militärische Griffwaffen in der Schweiz erst um 1740/50 langsam durchzusetzen. Obschon um 1700 und in späteren Jahren Löwenknaufsäbel immer noch mit relativ langen Rückenklingen ausgestattet wurden, fanden diese beinahe ausnahmslos bei der Infanterie Verwendung. Es muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass die Kavallerie in der Schweiz nicht nur im 17./18. Jahrhundert militärisch eine geringe Rolle spielte. Daher handelt es sich bei den aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammenden, von Rudolf Wegeli in seinem Berner Katalog als «Reitersäbel» bezeichneten Griffwaffen, korrekterweise um Säbel für die Infanterie. Wegelis Zuschreibung wurde auch im Ausland übernommen. Schweizersäbelklingen importierte man schon im 16. Jahrhundert vor allem aus Deutschland. Bis um 1600 spielten die Münchner Klingenschmiededynastien Ständler und Diefstetter als Lieferanten eine bedeutende Rolle. Im 17./18. Jahrhundert stammten die in der Schweiz verarbeiteten Säbelklingen mehrheitlich aus Solingen.
Literatur: Dufty, Swords & Daggers op. cit., S. 23, Tafel 43 a, «Swiss broadsword of c. 1700, of the type known as Berne cavalry sword». Wegeli, Schwerter und Dolche op. cit., S. 107/112, 117/120, speziell S. 119, Nr. 447 mit Abb.185, Säbel kant. Ord. 1742, Infanterie, Bern. Alfred Geibig, Gefährlich und schön, Katalog, Coburg 1996, S. 91/93, Nr. 36. Seifert, Schwert, Degen, Säbel op. cit., S. 63/64, Abb. 75/76. Hans Stöcklein, Münchener Klingenschmiede, ZHW Bd. 5, 1909/1911,
S. 244/248, 286/291, Bd. 8, 1918/1920, S. 198/205, 370/385.