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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 400

Degen, westliches Mitteleuropa, um 1655/1660

Eisengefäss, aus gegossenen, geschnittenen und ziselierten Teilen zusammengesetzt. Gequetschter, kugeliger Knauf mit konischer Basis, Vernietknauf. Auf der Vorder- und Rückseite des Knaufes ein ovales Medaillon mit Reiterdarstellung, seitlich grosse Köpfe. Der flache, als Dekor von einer Blätterfolge bedeckte Griffbügel, zeigt im Mittelteil eine Männerbüste und mündet in die Griffbasis. Die Parierstange besteht aus zwei Armen, die in nackten, weiblichen Halbfiguren enden. Auf der länglichen, vierkantigen Griffbasis ¬erscheint beidseitig ein Reiter, Griffringe. Stichblatt mit nierenförmigen Hälften, Dekor: Aussenseite – im Zentrum Kampfszene, zwei Kavalleristen greifen einen Krieger zu Fuss an, darüber eine gehörnte Fratze, links und rechts sitzende Krieger in antikisierender Kleidung. Innenseite – einfacher, symmetrisch angelegter, ornamentaler Dekor. Griff spiralig gerillt, Eisendrahtwicklung und Zwingen alt ergänzt.
Zweischneidige Klinge (Länge 77,4 cm, Breite 2,8 cm), rhombischer Querschnitt, Ätz¬dekor: in rechteckigen Rahmen die Porträtbüsten des Königs Gustav II. Adolf, von Schweden (1594 – 1632) und des Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimar (1604 – 1639), Ornamente.

Gesamtlänge: 94 cm, Gewicht: 800 g
Provenienz: Galerie Fischer, Luzern, 28. 11. 1960, Nr. 42.

Kommentar

Prima vista gehört dieser Degen zu der bereits vorgestellten Gruppe der Degen mit «verknapptem», eisernem Bügelgefäss und Reiterdekor (vgl. Kat. Nr. 33). Der Griffbügel entspricht verarbeitungsmässig jedoch nicht den dünnen, figurendurchsetzten Griffbügeln dieses Typs. Es dürfte sich daher um eine nachträgliche Zutat handeln. Ein formal und dekormässig vergleichbarer Bügel wird von Boccia als italienisch bezeichnet und um 1700 datiert. Ohne Bügel entspricht die Waffe den Degen mit einfachen Kreuzgefässen und Reiterdekor aus der Zeit um 1655/1665, Beispiele finden sich in der Visser Collection, Nrn. 554, 555. Von besonderem Interesse ist der äussere, in sehr ähnlicher Form verschiedentlich festzustellende Stichblattdekor, der zur Hauptsache aus einer zentralen, dreifigurigen Kampfszene, darüber einer von Hörnern beseiteten Maske sowie seitlichen Abschlüssen in der Form sitzender Krieger (Boccia, Nr. 363), Halbfiguren (Visser Coll. Nr. 554) oder Pferdeköpfen (Visser Coll. Nrn. 557, 562, Boccia, Nr. 364), besteht. Der Stichblatttyp mit «dreifigurigen Kampfszenen» etc. gehört bei Gefässen mit Reiterkampfdekor zu den am häufigsten festzustellenden Stichblattvarianten.
Der Klingendekor mit den Porträts des schwedischen, 1632 bei Lützen gefallenen Königs Gustav Adolf und des 1639 verstorbenen Herzogs von Sachsen-Weimar, Heerführer im Dreissigjährigen Krieg und Vertreter der protestantischen Sache, kann von ca. 1640 – 1660 nachgewiesen werden. Ein weiteres Indiz, dass die anfänglich bügellose Waffe aus der Zeit von 1655/1660 stammt.
Literatur: Boccia, Museo Stibbert op. cit., S. 129, Nrn. 363, 364, Abb. 310 a, b. Dean, Court & Hunting Swords op. cit., S. 12, Nr. 3, Tafel 3. Puype, Visser Collection op. cit., Vol. I, Part 3, S. 166/189, speziell S. 172/173, Nr. 557. Seitz, Blankwaffen II op. cit., S. 39/40, Abb. 32, S. 73, Abb. 68/69. Wegeli, Schwerter und Degen op. cit., S. 125, Nr. 466, Tafel 26.