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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 174

Säbel,
italienisch, um 1780, Wachtmeister oder höherer Unteroffizier, Grenadier, Schweizer-Garderegiment in neapolitanischen Diensten

Messinggefäss, aus gegossenen, ziselierten und geschmiedeten Teilen zusammengesetzt, versilbert. Griffkappe mit löwenkopfförmigem Abschluss, Vernietknäufchen, flacher Griffbügel gewinkelt in die Parierstange übergehend. Zwischen zwei Seitenbügeln, die in die Parierstange münden, wurde als Dekor eine grosse Granate mit Flamme eingesetzt. Beidseitig der vierkantigen Parierstange rhombenförmige Lappen. Gerillter, lederbespannter Griff, Kupferdrahtwicklung.
Rückenklinge (Länge 60,2 cm, Breite 3,5 cm), breiter Hohlschliff, im Ort zweischneidig. Schwarze Lederscheide, Messinggarnitur versilbert, Mundblech mit Tragknopf, Mittelband, Stiefel.

Gesamtlänge: 73,5 cm, Gewicht (ohne Scheide): 680 g, Gewicht (mit Scheide): 870 g
Provenienz: Antiquar Otto Staub, Freiburg 1960.

Kommentar

Nach dem ungünstigen Ausgang des Krieges, der 1733 um die polnische Thronfolge entbrannt war, musste Kaiser Karl VI. im Vorfrieden von Wien 1735 das seit 1713/1720 von den österreichischen Habsburgern regierte Königreich Neapel-Sizilien an Karl, den Sohn des spanischen Königs Philipp V., abtreten. Von 1735 – 1759 regierte dieser als Karl VII. das «Königreich beider Sizilien» und trat 1759 als Karl III. (1759 – 1788) die spanische Thronfolge an. Bei der Besitzergreifung des Königreiches waren 1734/35 auch zwei Schweizerregimenter in spanischen Diensten, Niederöst und Bessler, beteiligt.
Der neue Herrscher über Neapel, in der Absicht möglichst bald über eine schlagkräftige Truppe zu verfügen, hatte schon am 7. Oktober 1734 zwei Schweizeroffiziere, Josef Anton Tschudi (1703 - 1770) von Glarus und Karl Franz Jauch (1678 – 1743) von Uri, mit der Aufgabe betraut, je ein Regiment anzuwerben. Von 1734 bis zum Jahresende 1789, der Auflösung und Entlassung aller Schweizertruppen, standen ein Garderegiment sowie die nach ihren Inhabern und Obersten benannten drei Regimenter Wirz (Obwalden), Jauch (Uri) und Tschudi (Glarus) in neapolitanischen Diensten. Das mit Dekret vom 31. Oktober 1734 geschaffene Garderegiment, 1734 – 1770 unter dem Kommando von Joseph Anton Tschudi (Nachfolger: Karl Ludwig Sebastian Tschudi, 1770 – 1789), hatte um 1780 einen Sollbestand von 1559 Mann. Die Infanterieregimenter Wirz, Jauch und Tschudi setzten sich aus 2 Bataillonen zusammen, jedes Bataillon zählte 3 Füsilierkompanien, Sollbestand 200 Mann, und 1 Grenadierkompanie, Sollbestand 100 Mann. Der Sollbestand der Regimenter wird inklusive Stab mit 1425 Mann angegeben. Alle Regimenter trugen den roten Rock, umgeschlagene Kragen, Rabatten, Aufschläge, Gilet und königsblaue Hosen.
Mit Hilfe der Angaben bei May de Romainmôtier, der als einziger zeitgenössischer Schweizer Autor für die Zeit von 1734 – 1787 genauere Angaben zur Geschichte, Organisation, Uniformierung und Bewaffnung der Schweizer in Neapel liefert, versuchen wir uns ein Bild der um 1780 von den Schweizer Truppen verwendeten Griffwaffen zu machen. Für die Offiziere des Garderegiments wurde in der Ordonnanz vom 20. Mai 1778 «une epée d’argent damasquinée en or, à garde Suédoise & poignée à chainons» vorgeschrieben (Ein silberner Degen, Gefäss nach schwedischer Art, Griff mit Drahtwicklung, Klinge mit goldtauschiertem Dekor). Unter dem gleichen Datum wird für die Grenadieroffiziere
«un sabre d’argent damasquiné en or, à branches & coquille» gefordert (Ein silberner Säbel, das Gefäss mit Bügeln und einem Handschutz, Klinge mit goldtauschiertem Dekor). Höhere Unteroffiziere und Wachtmeister des Garderegiments bewaffnete man mit einem Säbel, dessen Gefäss versilbert war, «un sabre à poignée, de métal argenté». Auch Korporale, Grenadiere und Füsiliere führten den Säbel, ohne dass wir über dessen Beschaffenheit Genaueres erfahren. Füsiliersäbel waren jedoch «kleiner», vermutlich kürzer als Grenadiersäbel, «celui des fusiliers plus petit que celui des grenadiers».
Auch zur Offiziersbewaffnung der drei Infanterieregimenter liefert May de Romainmôtier nützliche Informationen: «Les officiers de fusiliers sont armés, d’une épée d’argent à garde Suédoise & poignée à chaînons d’argent» (Die Bewaffnung der Füsilieroffiziere besteht aus einem silbernen Degen, Gefäss nach schwedischer Art, Griff mit Silberdrahtwicklung). «Aux officiers de grenadiers, armés d’un sabre, à garde d’argent & poignée à chainons de même métal» (Für Grenadieroffiziere ein Säbel mit silbernem Gefäss und einer Wicklung aus demselben Metall). Die Griffwaffen für höhere Unteroffiziere und Wachtmeister bei den Infanterieregimentern entsprachen denjenigen gleicher Chargen beim Garderegiment, « les bas-officiers des fusiliers & grenadiers, sont armés comme ceux du régiment des gardes». Gemeine Füsiliere und Grenadiere der drei Regimenter Jauch, Wirz und Tschudi waren nur mit bajonettierten Gewehren bewaffnet.
Das Gefäss der vorliegenden Waffe für Wachtmeister und höhere Unteroffiziere entspricht demjenigen für Grenadieroffiziere des Garderegiments. Es verfügt über einen Griff- und zwei Seitenbügel (garde à branches) und weist mit dem granatenförmigen Handschutz auch die erwähnte «coquille» auf. Den lederbespannten Griff bedeckt nur eine einfache und nicht eine dichte Silberdrahtwicklung, «chainons» oder «chainons d’argent», auf
die bei anderen Modellen mehrmals verwiesen wird. Die nur aus zwei tordierten Drähten bestehende Griffwicklung folgt den Rillen.
Zum Vergleich konnte der Säbel eines Grenadieroffiziers der Garde von ca. 1785/89, im Besitz des Historischen Museums Altdorf (Inv. E 4), der mit dem gleichen Gefässtyp ausgestattet ist, herangezogen werden. Das versilberte Messinggefäss ist im Gegensatz zur Unteroffiziersausführung verschraubt und auf dem Griffbügel «CASADO» signiert, die Lappen sind nicht rhomben- sondern halbkreisförmig. Die Kanten des achteckigen Holzgriffs wurden mit schmalen Silberschienen belegt. Die Rückenklinge (Länge 83,5 cm, Breite 3,3 cm) mit breiten Hohlschliffen, einer Rückenkannelüre, ist im Ansatzdrittel gebläut. Auf den 1778 ordonnanzmässig vorgesehenen goldtauschierten oder vergoldeten Ätzdekor hatte man verzichtet. Die Lederscheide mit einer versilberten Messinggarnitur (Mundblech mit Tragring, Ringband und Stiefel) ist ähnlich konzipiert und verarbeitet wie die Scheide für die Säbel der höheren Unteroffiziere, letzterer wurde in einer Tragtasche am Leibgurt getragen. Obschon in den Verordnungen immer wieder von «épée d’argent» oder «sabre d’argent» die Rede ist, wurden diese Waffen aus Kostengründen selten mit massiven Silbergefässen gefertigt, es dürfte sich daher auch bei den Offiziersausführungen in den meisten Fällen um versilberte Messinggefässe gehandelt haben. In seinem Inventar bezeichnet Carl Beck vermutlich gemäss Angaben des Verkäufers die Waffe als «Artilleriesäbel aus neapolitanischen Diensten, um 1850».
(Das Historische Museum Altdorf, Konservator R. Gisler, stellte freundlicherweise die Vergleichswaffe für die Ausstellung zur Verfügung.)
Literatur: Piero Crociani, Massimo Fiorentino, Giancarlo Boeri, Nouvelles Découvertes au Sujet des Suisses au Service des Deux-Siciles, Mitteilungen der Schweizerischen Gesellschaft der Freunde der Zinnfigur, «Figurina Helvetica», 38. Jg., 1979, S. 20/26. Max Schafroth, Die Geschichte der Schweizerregimenter im Dienst des Königreichs beider Sizilien, «Figurina Helvetica», 35. Jg. 1976, S. 12/21. Roland Petitmermet, Von der Organisation, den Uniformen und den Fahnen der Schweizer in Neapel, «Figurina Helvetica», 35. Jg. 1976, S. 21/34. Egildo Gentile, Le truppe svizzere nel regno delle due Sicilie dal 1734 al 1789, Archivio storico della Svizzera italiana, Bd. 18, S. 58/85. M. May de Romainmôtier, Histoire militaire de la Suisse et celle des Suisses dans les différens services de l’europe, Lausanne 1788, Bd. 8, S. 316/450, «Histoire militaire des Suisses au Service de sa Majesté le Roi des deux Siciles rédigée jusqu’en 1786», speziell S. 422/427, 439/441. Paul de Vallière, Treue und Ehre, Lausanne 1940, S. 469/470., Robert-Peter Eyer, Die Schweizer Regimenter in Neapel im 18.Jahrhundert (1734-1789), Bern 2008. Robert-Peter Eyer, Die Schweizer Regimenter in Neapel im 18. Jahrhundert (1734 - 1789), Bern 2008, S.320 - 324.