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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 815

Luntenschnappschloss-Hakenbüchse, «Doppelhaken»,
schweizerisch, Luzern/Zürich 1567/1570, aus dem Zürcher Zeughaus

Achtkantlauf (Länge 115,5 cm), 38 Züge, Kaliber 21,5 mm, am Ende des Kammerdrittels beidseitig kleine Schildzapfen, auf der Laufunterseite ein flächiger, einseitig gezackter Eisenhaken, beide Schrägseiten der Laufkammer je einmal mit Meistermarke: Kreis durch drei Linien in sechs gleiche Segmente, jedes mit Zentrumspunkt, geteilt, über dem Kreis ein Doppelkreuz, «Z» für «Zürich» oder «Zeughaus». Über den Meistermarken eine weitere verwischte Marke, Wappen der Stadt Luzern (Heer, Støckel III op. cit., S. 1639, Marke 8650), Laufgravur: «B.N. 50. L.40». Das ursprüngliche, über der Laufkammer befestigte Kastenvisier wurde entfernt und durch ein einfaches, geschobenes Standvisier ersetzt, Korn. An der Laufkammer seitlich auf der Höhe des Zündstollens wurde die flache, halbkreisförmige, eiserne Pfanne mit Drehdeckel befestigt. Das Luntenschnappschloss mit länglichem, schmalem Schlossblech, gewinkeltem Hahn samt Luntenklemmkopf, einem aussenliegenden Arretierdorn, kann über den ebenfalls aussenliegenden Druckknopf betätigt werden. Achtkantiger, balkenartiger Nussbaumhalbschaft (Landsknechtschaft); auf dem Kolben die geschnittene Bezeichnung «L 4 P IIII», sowie einfache Kerbverzierungen im Schlossbereich und auf dem Vorderschaft. Vorderschaftabschluss im Bereich der Schildzapfen durch Eisenbänder verstärkt.

Gesamtlänge: 165,5 cm, Gewicht: 12450 g
Provenienz: Aus Privatbesitz, Bern 1962.

Kommentar

32 Doppelhaken vom gleichen Typ (davon 11 auf Steinschloss transformiert) aus dem Besitz des alten Zürcher Zeughauses lagern im Schweizerischen Landesmuseum (KZ. 1/2, 38, 719/724, 2305, 2311, 2314/2315, 2318, 2320, 2323/2327, 2329, 2331/2332, 2334, 2369/2370, 6371/6374, 10143/10144). Auf den Läufen findet man ebenfalls die segmentierte Kreismarke mit Doppelkreuz sowie zusätzlich als Ortshinweis das Luzernerwappen. Diese wurden von dem in Luzern ansässigen, vermutlich aus Deutschland zugezogenen Büchsenmacher Hans Roech, genannt «Hans von Köln», geführt. Roech lässt sich von 1533 – 1570 nachweisen; er wurde 1540 Bürger und Mitglied der Saffranzunft. Dem Luzerner Rat lieferte er zwei Doppelhaken und erhielt dafür 30 Kronen, seine Frau als obrigkeitliches Geschenk eine «Schübe» (Schürze). Auch Zürich bezog 1567 von «Meister Hans von Kölln» 37 «Topellhaggen», d. h. Läufe und Schlösser, die anschliessend vom Tischmacher Hans Christen geschäftet wurden. Das benötigte Holz stellte das Zeughaus zur Verfügung. Die 37 Doppelhaken wurden 1568 in Gegenwart des Bürgermeisters Hans Bräm (1521 – 1584) von etlichen Schützen und dem Lieferanten, Hans von Köln, im Schützenhaus am Platz beschossen. Bräm, von Beruf Büchsenmacher, war seit 1552 Zunftmeister der Schmiede, 1565 Zeugherr, 1567 Bürgermeister und Obmann der Schützengesellschaft. Die in den Zeugamtsrechnungen von 1567 – 1570 verzeichneten Ankäufe von insgesamt 67 Doppelhaken, auch die jeweilige Bewirtung von Kölns im Anschluss an die Probeschiessen, belegen die Wertschätzung die der Zürcher Rat vor allem Bürgermeister Bräm den Erzeugnissen seines Berufskollegen entgegenbrachte. Zeughausknecht Antoni Boschinder richtete die «Absehen» (Visiere) der Doppelhaken, nummerierte die Waffen und kümmerte sich um die Herstellung von Holzböcken, die man benötigte wenn die Hakenbüchsen nicht auf das Mauerwerk gelegt oder anderweitig abgestützt werden konnten. Auf den städtischen Befestigungsanlagen, auch einigen Landvogteisitzen kamen Doppelhaken mit und ohne Böcke zum Einsatz. Für den Dienst im Feld «zum Fenly» wurden sie auf einem 1572 eigens von Schmied Jakob Rapold konstruierten «Haggenkarren» mitgeführt. Beliebt war die Verwendung der Doppelhaken als Salutgeschütz z. B. 1563 und 1565 bei der Ankunft von Bräuten namhafter Ratsmitglieder, 1578 beim Einreiten des Grafen von Sulz.

Die in die Jahre 1567/1570 datierbaren Büchsen sind mit eher etwas altertümlich anmutenden Luntenschnappschlössern ausgestattet, wie sie schon um 1500 Verwendung fanden. Alle Zürcher Doppelhaken mit Luzernerläufen wurden zweimal mit Nummern versehen; wobei die gekerbten Schaftnummern aus der Zeit von 1568/1570 stammen. Die gravierten Bezeichnungen auf den Läufen sind späteren Datums.

Von den Zürcher Doppelhaken haben als Verkäufe, Geschenke oder im Tausch einige den Weg in andere Sammlungen gefunden, so auch nach Bern (Inv. Nr. 3887, 14204, 2426, 242b, die beiden letzteren auf Steinschloss transformiert) und Genf (Inv. K 258, K 179). Luzern besitzt nur noch eine Waffe aus der Produktion seines Mitbürgers (Hist. Museum Luzern Inv. HMLU 887) sowie einen Münzstempel (Inv. HMLU 425) für eine Schulprämie aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts, ebenfalls mit der Marke des «Hans von Köln». Wie zwei weitere Münzstempel aus der Luzerner Sammlung belegen, scheint man Büchsenmacher auch zur Herstellung von Münzstempeleisen zugezogen zu haben (Tobler op. cit. Nr. 7, vgl. Heer, Støckel II op. cit., S. 1454, Nr. 5013. Tobler op. cit. Nr. 14, vgl. Schneider, Schweizer Waffenschmiede op. cit., S. 172, «Last»). Quellen u. Literatur: Staatsarchiv Zürich F III 42 – Zürcher Zeugamtsrechnungen, 1544 – 1798,

Auszüge als Manuskript, Schweiz. Landesmuseum. José A. Godoy, Armes à feu, Collection du XVè – XVIIè siècle, Musée d’art et d’histoire, Genève 1993, S, 26/27, Nrn. 6/7. Heer, Støckel III op. cit., S. 1638/1639, Nr. 8650. Hoff, Feuerwaffen I op. cit., S. 14/15, Abb.13/14, Feuerwaffen II, S. 77/79. Jürg A. Meier, Notizen zur Geschichte der Handfeuerwaffen in der Schweiz 14. – 16.Jahrhundert, Revue SGHWR Nr. 4, 1985, S. 212. Pollard’s history of firearms, hg. Claude Blair, Middlesex 1983, S. 50 «Snapmatchlock». Hugo Schneider, Hand- und Faustfeuerwaffen 1540 – 1820, eine Auslese, Bern 1975, S. 7, Nr. 1. Schneider, Schweizer Waffenschmiede op. cit., S. 163. Edwin Tobler, Luzerner Münzstempel und Punzen, Luzern 1985, S. 102, Nr. 521, S. 133, Nr. 15. Wegeli, Fernwaffen op. cit., S. 140/141, 165/167, Nrn. 2211/2213, Tafel VII. P. X. Weber, Die Entwicklung des Schiesswesens im alten Stand und auf der Zihlstatt Luzern, Luzern 1930, S. 21. P. X. Weber, Rüstungs- und Waffenschmiede im alten Luzern, Geschichtsfreund 82, Stans 1927, S. 216.