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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: S 2225

Steinbüchse, Bombarde, 2. Hälfte 15. Jh. (Burgund?)

Eisenguss korrodiert, gedrungene Form. Die Büchse setzt sich aus einem kurzen Flug sowie einem Kammerteil zusammen. Die insgesamt 22,5 cm breite Mündung wird durch ein 4,8 cm breites, gegen den Flug hin abgeschrägtes Band verstärkt und betont. Die Wandstärke des Flugs liegt bei ca.3,5 cm. Durch ein mittleres Band und einen grossen halbrunden Henkel wird der Flug äusserlich von der Kammer abgegrenzt. Der Mündungsrand ist stellenweise stark beschädigt und weist einen grossen Ausbruch oder Delle auf. Das Kaliber beträgt 15 cm; die Seele ist nur 16 cm tief, so dass eine Steinkugel von ca.14/15 cm Durchmesser letztere voll und ganz ausfüllt. Den Kammerteil begrenzen das Mittelband und ein Band von 4,3 cm um den Stossboden. Die Pulverkammer ist ca. 19 cm lang und 5 cm breit und durch den Zündstollen mit dem Zündloch über dem Stossbodenrand verbunden. Am Henkel sind noch einige grosse Kettenglieder befestigt.

Gesamtlänge: 41 cm

Kommentar

In einem von Franz Sales Amlehn 1882/84 handschriftlichen Inventar der im Rathaus von Sursee eingelagerten Antiquitätensammlung wird unter Nr.14 «ein Bombenmörser mit Ring» aus städtischem Besitz aufgeführt. Über die Herkunft der Steinbüchse und deren Verwendung in oder um Sursee ist weiter nichts bekannt. Als Geschosse dienten behauene, kugelförmige Steine von ca.14 cm Durchmesser, die mittels Holzkeilen im Flug zentriert wurden. Der kurze Flug konnte der Steinkugel nur wenig Führung geben. Schmidtchen schreibt zu Recht, dass man eher von «einem Wurf als von einem Schuss» sprechen sollte. Das in jener Zeit mehlige Schwarzpulver platzierte man in der Pulverkammer, die maximal zu ca. drei Vierteln gefüllt wurde. Zwischen Pulver und Kugel setzte der Büchsenmeister einen Holzklotz ein, der die Pulverkammer abschloss und mit dem Seelenboden mehr oder weniger bündig war. Durch eine stärkere Hemmung des Explosionsdruckes erhöhte man die Treibkraft. Für die Zündung benützte der Artillerist ein sogenannte Loseisen, dessen Ende vor der Schussabgabe in einem Feuer geglüht worden war. Das Rohr wurde in einer einfachen Blocklafetten aus Holz gelagert und konnte je nachdem mit oder ohne Räder als Feld- oder Positionsgeschütz auf Türmen und Mauern eingesetzt werden.

Wie aus dem Standardwerk Rathgens von 1928 hervorgeht sind aus der Zeit vor 1500 nur wenige Steinbüchsen bekannt, bei denen es sich um Eisengüsse handelt. Rathgen bildet als Beispiel eine gusseiserne Büchse aus der Burg Landskron bei Neuenahr ab, die er um 1400 datiert. Die archivalischen Angaben und die Kenntnisse über diesen Waffentyp sind im deutschen Raum wie die wenigen Textstellen bei Rathgen zeigen spärlich. Die bis ins frühe 16.Jahrhundert in Europa gebräuchlichen Steinbüchsen waren mehrheitlich aus Schmiedeisen konstruiert, späterhin kamen auch Bronzegüsse zum Einsatz. Die Form der Surseer - Steinbüchse mit ihren drei mitgegossenen, erhabenen Bändern, um die Mündung, in der Mitte und beim Stossbodenrand, orientiert sich im Erscheinungsbild an den zeitgenössischen, geschmiedeten Steinbüchsen. Bei den Steinbüchsen befinden sich Verstärkungsbänder üblicherweise an der gleichen Stelle; ebenso wurde bei gewissen Exemplaren an der Übergangstelle vom Flug zum Kammerteil ein Traghenkel angebracht. Eine mit dem Surseer Geschütz vergleichbare, geschmiedete Steinbüchse befindet sich im Historischen Museum Bern ( Inv. Nr.10727, Wegeli Nr.2095).

Es handelt sich um die älteste, noch erhaltene Schusswaffe des Kantons Luzern. Schweizweit sind nur einige wenige vergleichbare, in Eisen gegossene, Steinbüchsen bekannt: 2 Exemplare Museum Murten (Inv.115 A , 115 B), 1 Exemplar im Schloss Grandson, 1 Exemplar Stadtmuseum Aarau, 1 Exemplar Musée militaire vaudois, Morges, 2 Exemplare im Musée historique La Neuveville, 1 Exemplar Musée d'art et d'histoire, Genêve. Eine Bombarde dieses Typs soll dem Vernehmen nach bei Ausgrabungen auf der Burgstelle Alt-Landenberg in Bauma zum Vorschein gekommen sein. Sie befindet sich heute in der Sammlung Wolfensberger, Bauma, Kt. Zürich.

Die burgundische Armee Herzog Karl des Kühnen, die 1476 / 77 bei Grandson, Murten und Nancy geschlagen worden war, verwendete anscheinend auch kleine Bombarden in der Art des Surseer Exemplars. Diese aus Eisen gegossenen Bombarden mit ihren charakteristischen bandförmigen Verstärkungen und den massiven Henkeln sind in der Schweiz und im benachbarten Elsass (Musée Unterlinden, Colmar, 3 Bombarden) mit ca. zehn Exemplaren in einer auffallenden Dichte anzutreffen. Informationen, die es erlauben würden diese Geschütze einem Hersteller oder Auftraggeber zuzuordnen fehlen zur Zeit. Nicht nur in der Schweiz werden diese «Bombarden» mit der Burgunderbeute von 1476 in Zusammenhang gebracht. Obschon den Eidgenossen der grosse Artilleriepark des Herzogs in die Hände fiel, fehlt in den teilweise illustrierten Beuteinventaren dieser Bombardentyp. Anscheinend fanden man nur die grösseren Geschütze einer besonderen Erwähnung würdig.

Literatur: Stadtarchiv Sursee: «Inventarium des Antiquitäten-Kabinet im Rathhaus zu Sursee angefangen 1882, aufgenommen 1884», Nr.14. Lit. Beck, Verzeichnis 1970, S.12, Nr.225. Bernhard Rathgen, Das Geschütz im Mittelalter, neu herausgegeben von Volker Schmidtchen, erstmaliger Reprint der Ausgabe von 1928, Düsseldorf 1987, über Gusseisenrohre siehe S. 27, 56, 71 547, Tafel 8, Abb.24-26. E.A.Gessler, Die Entwicklung des Geschützwesens in der Schweiz von seinen Anfängen bis zum Ende der Burgunderkriege, Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, I.-III. Abteilung, Nrn.82-84, Zürich 1918-1920. Rudolf Wegeli, Inventar der Waffensammlung des Bernischen Historischen Museums in Bern, IV. Fernwaffen, Bern 1948, S.64-65, Nr.2095. Volker Schmidtchen, Bombarden, Befestigungen, Büchsenmeister, Von den ersten Mauerbrechern des Mittelalters zur Belagerungsartillerie der Renaissance, Düsseldorf 1977. S.43-62, «Das Laden der Steinbüchse». Eugène Heer, Das Museum der Burgunderkriege, in: Schweizerische Gesellschaft für historische Waffen- und Rüstungskunde, Bulletin 2, November 1971, S.11, 14, Abb.8. José A.Godoy, Armes à Feu XVe- XVIIe Siècle, Collection du Musée d'art et d'histoire, Genêve, Genêve 1993, S.113, Nr. 313, S.369, Abb.313. Florens Deuchler, Die Burgunderbeute, Bern 1963, S.309 - 310, Nr.233, Steinbüchse (Musée de l'Armée V, 34, Nr.34). Robert Douglas Smith, Kelly DeVries, The Artillery of the Dukes of Burgundy 1363-1477, Woodbridge 2005, S.268-269, 298-301, 306-309.