zurück
zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 341

Degen, deutsch oder holländisch Ende 17.Jahrhundert.

Messinggefäss, aus gegossenen, ziselierten Teilen zusammengesetzt. Kugeliger Knauf, konische Basis, reliefierter, stark beriebener Dekor: Terzseite - in einer architektonisch konzipierten, von einem Bogen überwölbten Kartusche sitzt eine Frauengestalt in antiker Kleidung, welche einen Palmzweig empor hält, zu ihren Füssen ein geflügelter Knabe, Quartseite ähnlich, Frau mit Siegeskranz. Auf beiden Seitenflächen ein Maskaron, der von einer «Gloriole» überhöht wird. Oben und unten gewinkelter, profilierter Griffbügel, der in die Griffbasis mündet. Oberer Griffbügelansatz in Form eines lorbeerbekränzten, bärtigen Männerkopfs, im Mittelteil ganzfigurige, plastische Darstellung Apollos als jugendlicher Flötenspieler. Der kurze Parierstangenarm endet in einem Hydrakopf, gerollte Ziergriffhaken. Auf der Griffbasis terzeitig eine stehende Frauengestalt mit Knabe (Psyche und Amor ?), quartseitig ebenfalls eine Frauengestalt. Das durchbrochen gearbeitete Stichblatt besteht aus nierenförmigen Hälften von geringfügig unterschiedlicher Grösse, symmetrisch angelegter Dekor: sowohl aussen als auch innen sitzen in den zentralen gleichförmigen Kartuschen, Frauen und Männergestalten in antiker Kleidung jeweils von einem kleinen Knaben begleitet. Als Attribute lassen sich z.B. ein Füllhorn mit Früchten, ein Spiegel etc. ausmachen. Beidseitig der «Götterdarstellungen» füllen Tierkopfranken die Stichblattflächen. Griff mit Kupferdrahtwicklung von unterschiedlicher Stärke, Messingzwingen, beim Griff handelt es sich möglicherweise um eine Ergänzung.
Zweischneidige Klinge (Länge 74,9 cm, Breite 1,7 cm), sechskantiger Querschnitt, im Ansatzbereich ein tiefer Mittelhohlschliff mit einfachen, ornamentalen Durchbrechungen.

Gesamtlänge: 91,5 cm Gewicht: 520 g
Provenienz: Aus Privatbesitz, Suhr (Kt.Aargau) 1954.

Kommentar

Bei den figürlichen Darstellungen scheint es sich durchwegs um Repräsentanten der griechisch-römischen Mythologie zu handeln, angeführt vom flötenspielenden Apollon. Das charakteristische Gefässkonzept wurde in einer ebenso charakteristischen Art und Weise umgesetzt. Auf das Nachbearbeiten und Ziselieren der Gussstücke verwendete man offensichtlich keine besondere Sorgfalt. Zusätzlich trugen im Verlauf der Zeit das relativ weiche Material und der Gebrauch der Waffe dazu bei, dass die exponierten Stellen des Dekors stark berieben wurden und im Detail nicht mehr zu identifizieren sind. Auch ohne aufwändigen Finish ist dem ursprünglich vergoldeten Gefäss eine gewisse Attraktivität nicht abzusprechen. Zwei Degen mit identischen Gefässen, die unter Verwendung gleicher Gussformen entstanden sein dürften, kamen 1989 und 1990 bei der Galerie Fischer zum Verkauf. Von diesem Gefässtyp stellte man möglicherweise im späten 19.Jahrhundert Nachgüsse her. Eine entsprechende Waffe hatte die Galerie Fischer 1993 im Angebot. Southwick publizierte 1982 eine silberne Version des Gefässes mit dem «Flötenspieler», welche er als holländisch bezeichnete und in das letzte Viertel des 17.Jahrhunderts datierte.

Ein sehr ähnliches Degengefäss im Historischen Museum Bern (Inv.3803), wohl aus derselben Produktion wie das Gefäss der hier erfassten Waffe, weist ein etwas abweichendes Bildprogramm auf. Beim bernischen Exemplar nimmt eine weibliche Gestalt, die Jagdgöttin Diana mit Hund, den Platz des Flötenspielers ein, in den Bogennischen sitzen mehrheitlich weibliche Gottheiten.
Literatur: Jan Sach, Illustriertes Lexikon der Hieb-& Stichwaffen, Prag 1999, S.166-167, Abb.208. V.Norman, Rapier & Small Sword op.cit., S.199-212, Hilt 112. Southwick, Edged weapons op.cit., S.62, Nr.140, Silbergefäss. Wegeli, Schwerter und Dolche op.cit., S.140, Nr.529, Tafeln 25, 26. Lionello Giorgio Boccia, Armi d'attaco da difesa e da fuoco, la collezione d'armi del museo d'arte medievale e moderna di Modena, Modena 1996, S.43, Nr.117 mit Abb. Galerie Fischer, Luzern, 9./10.6.1989, Nr.9067. Galerie Fischer, Luzern, 28./30.6.1990, Nr.8711. Galerie Fischer, Luzern, 17./18.6.1993, Nr.8306.