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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 500

Dolch, «Baselard»
schweizerisch, um 1400, Bodenfund

Die breite, relativ massiv gearbeitete Angel endet in einem quergestellten Bügel, so dass Angel und Bügel ein grosses «T» bilden. Einseitig weist die Angel niedrige, aufgebogene Kanten auf; im Bereich des abgeschrägten Klingenrückens dienen zwei flache, parierstangenartige Fortsätze mit gelochten Enden, ebenso die fünffach gelochte Angel zur Befestigung der (fehlenden) Griffschalen. Als Griffschalenmaterial fand Horn, Bein oder Holz Verwendung. Massive rhombische Klinge (Länge 26,5 cm, Breite 4,7 cm), im Ansatzdrittel beidseitig ein tiefes Kannelürenpaar.

Gesamtlänge: 37,3 cm, Gewicht: 242 g
Provenienz: Auktion Galerie Fischer, Luzern, 25. 11. 1959, Nr. 160, ehemals Slg. Charles Boissonnas (1832 – 1912).

Kommentar

In den Rechnungsbüchern des bekannten Handelsmannes aus Prato bei Florenz, Francesco Datini, entdeckte der englische Waffenhistoriker Claude Blair im Band von 1375 eine Reihe von Ausgabenposten, in denen von unterschiedlichen Messern und Griffwaffen die Rede ist, die ein gewisser «Gilichino Buonpaese» und andere über Datini bezogen hatten und deren Bezahlung noch ausstand, z.B. «Et debitio dare a di xxiij di luglio 1375 prese il detto per vj basolardi grandi di basola della ragione di fiorini vj dozina, lire iij soldi xij». Aus Basel stammten u.a. auch zwei Dutzend «basolardi mezani con choltellino» drei «daghe di basola pichole per soldi iij pezo», «chanivetti picholi di basola», zwei «spade di basola», zwölf «choltelli di basola mezani» usw., die 1375 als Handelsware den Weg nach Italien gefunden hatten.

Unser besonderes Interesse gilt in diesem Zusammenhang den «Basolardi», deren Bezeichnung offensichtlich auf den Produktionsort Basel Bezug nimmt. Auch 1875 verknüpften die Autoren des Mittelniederdeutschen Wörterbuches die deutsche Bezeichnung «Beseler» für «Baselard» mit «Basler» und brachten in der Forschung erstmals die bekannte Stadt am Rhein mit dieser Waffe in Verbindung. Wie Abbildungen und Texte belegen, verbreitete sich dieser Griffwaffentyp, der in unterschiedlichen Grössen, als Dolch, Kurzschwert oder Schwert, hergestellt wurde, seit dem Ende des 13. Jahrhunderts südlich und nördlich der Alpen. Älteste Bildzeugnisse stammen aus Italien, z.B. ein Fresko um 1288/92 aus dem Palazzo Comunale in San Gimignano; als «Badelaire» erscheint der «Baselard» in einem französischen Dokument von Douai um 1300. Die Inventare, welche über den persönlichen Besitz König Eduards III. von England Auskunft geben, liefern in der Zeitspanne von 1345/1349 die bisher früheste Erwähnung eines «Baselards» im angelsächsischen Raum. Vielen Bild- und Textquellen ist zu entnehmen, dass vor allem die kleine, dolchartige Version des «Baselards» sich bei jedermann und nicht nur in ritterlichen Kreisen grosser Beliebtheit erfreute. In England gab es das geflügelte Wort: «There is no man worth a leek … but he bears a baselard». («Ein Mann ist keinen Pfifferling wert … es sei denn er trägt einen Baselard»). Obschon sich der Baselard als Bodenfund in der Nordwest- und Westschweiz in repräsentativen Mengen nachweisen lässt, fanden sich in den schriftlichen Quellen der gleichen Regionen für das 14./15. Jahrhundert bisher keine Belege für den Begriff «Baselard». Bildliche Zeugnisse für die Verwendung des Baselards in der Schweiz sind nicht allzu häufig, lassen sich aber dennoch beibringen, z.B. eine Kriegsdarstellung auf einem Wandbild im Haus «zum langen Keller» in Zürich, 1. Viertel 14. Jh.

Welches ist nun die typische Beschaffenheit eines Baselards? Der Griff besteht aus einer breiten, relativ massiven Angel, die sich im Knauf- und Klingenansatzbereich horizontal in der Art eines grossen «T» mit kurzem Querbalken erweitert. Die Angelkanten inklusive Knaufzone werden zumeist von einer niedrigen, einseitig waagrecht aufgesetzten Randleiste umrahmt. Mehrere kleine Löcher an verschiedenen Stellen der Angel dienen als Führungen für feine Bolzen, mit deren Hilfe die Griffschalen aus Holz, Horn usw. vernietet werden können.

Die beiden flachen, möglicherweise etwas gerundeten Griffschalen bedecken die Angel in ihrer ganzen Breite. Gewisse Baselardtypen werden auch mit schmaleren Angeln und massiven Griffstücken ausgestattet, die man in der Knaufzone vernietete. Die Grundform des doppelten «T» blieb sich aber gleich. Eine zweischneidige Klinge, deren Breite an der Wurzel weitgehend mit dem unteren Schalenansatz übereinstimmt, bildet die Fortsetzung. Die Schneiden laufen gerade in den Ort und bilden ein gleichschenkliges Dreieck mit schmaler Basis. Die Klinge des dolchartigen Baselards ist primär für den Stoss eingerichtet; im Querschnitt linsenförmig oder rhombisch weist sie beidseitig Kannelüren auf. Zum Baselard gehörte eine Scheide. Die Tragart variierte je nach Grösse der Waffe, der Art des Einsatzes, z.B. zu Fuss oder zu Pferd, und modischen Gegebenheiten.

Wie aus den Rechnungen Datinis hervorgeht, waren 1375 «ganze» und «halbe» Baselards, auch «spade», also eine Griffwaffe in Schwertgrösse, in Basel erhältlich. Bei einer summarischen Auswertung von bekannten Waffen des Baselardtyps ergeben sich entsprechende Konzentrationen in drei Längenbereichen: 1. bei ca. 35 cm, 2. ca. 70 cm, 3. ca. 100 cm. Diese Waffenlängen entsprechen weitgehend den im Mittelalter gebräuchlichen Naturmassen von Fuss (ca. 30-35cm), Elle oder Arm, «braccio» (ca. 60-70 cm). Standardisierungen vereinfachten die Produktion und erleichterten die Verteilung von Arbeitsgängen auf eine Vielzahl von Werkstätten. Die Basler Messerschmiedemeister zeichneten sich um 1400 durch einen unternehmerischen Geist aus, indem sie sich im Exporthandel engagierten. Zu den italienischen Bezügern von Basler Messerwaren gehörte nicht nur der Handelsherr Datini von Prato, 1414 wurde eine grössere Lieferung von Messern und Klingen nach Venedig spediert. Basler Messer waren auch in Strassburg gesucht und geschätzt. Angaben über die Art, den Preis und die Zahl der hergestellten Messerwaren, über den Umfang und die Destination der Exporte lassen sich auf Grund der Quellenlage nur in Ausnahmefällen beibringen.

Die grosse wirtschaftliche Bedeutung des Basler Messerschmiedehandwerks spiegelt auch die Tatsache, dass um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert zwei ehemalige Messerschmiede, Walter Wissenhorn und Oswald von Wartenberg, als Ammeister die Geschicke der Stadt mitbestimmten. Wissenhorn, von Wartenberg, ganz besonders aber der Messerschmied Uli Eberhard, der 1427 bis 1429 das Amt des Schmiedezunftmeisters bekleidete und von 1429 bis 1441einen Ratssitz inne hatte, kamen als Handelsleute zu grossen Vermögen. Die von Eberhard gehandelten Waren, Eisen, Zinn, ungarisches Kupfer, Buchsbaumholz aus der Provence, standen in materieller Beziehung zum Messerschmiedehandwerk. Im Gegenzug zu den importierten Rohmaterialien, bei denen die Messerschmiede ein Vorkaufsrecht geltend machen konnten, verliessen über die wichtigsten Handelsrouten Messerwaren, damit auch Baselards aller Art, die Stadt Basel. Während der lokale Handel streng geregelt war und im Kompetenzbereich der Schlüssel- und Safranzunft lag, existierten in jener Zeit für den Fernhandel keine besonderen Beschränkungen. Jedermann, der sich befähigt glaubte und über die nötigen Mittel verfügte, konnte ausländische Messen und Märkte besuchen, geschäftliche Beziehungen knüpfen, Waren gegen Bezahlung oder im Tausch ein- und ausführen. Wie gewinnbringend diese Art von Handel war, zeigt der Vermögenszuwachs von Uli Eberhard, der 1429 8000 Gulden, 1446 13000 Gulden versteuerte.

Das nachweislich seit den 1370er Jahren, möglicherweise schon um 1300 prosperierende Basler Messerschmiedehandwerk litt schon vor Abschluss des von 1431 bis 1449 mit Unterbrüchen tagenden Konzils an den Folgen einer wirtschaftlichen Depression. Nach der Mitte des 15. Jahrhunderts verlor das Messerschmiedehandwerk kontinuierlich an Bedeutung. Dies zeigen mit besonderer Deutlichkeit die sinkenden Meisterzahlen. 1424 waren 55 Messerschmiedemeister in der Stadt tätig, 1489 34 und 1538 nur noch 18. Die Gründe für den Niedergang sind noch eingehender zu untersuchen. In der bisherigen Literatur (vgl. Heinz Lienhard) wird die Meinung vertreten, dass die auf ganz bestimmte Messer und Dolche spezialisierte Produktion Opfer eines «Modewechsels» geworden sei. In der Schweiz verdrängte im Verlauf des 15. Jahrhunderts der sogenannte Schweizerdegen, später auch der Schweizerdolch den Baselard, der in England seine Popularität bis um 1500 behaupten konnte. Die gesamteuropäische Verbreitung des Baselard in der Zeit von ca. 1280 bis um 1500 ist ein Indiz, dass Griffwaffen vom Baselardtyp nicht nur in Basel, sondern auch von Messerschmieden in Frankreich, England usw. hergestellt worden sind. Die Produktion in Basel scheint aber seit dem 13. Jahrhundert so bedeutend gewesen sein, dass die Stadt am Rhein bei der Namensgebung dem «Baselard» Pate gestanden hat.

Im Rechnungsbuch Datinis von 1375 werden auch Dolchmesserlieferungen aus Bern erwähnt: «XII choltella pichole a modo di daghe fatte a berna». Neben dem sicherlich bedeutenderen Basel scheint auch Bern im 14. Jh. über eine respektable Messerwarenproduktion verfügt haben.

Der «Baselard» ist auch mit einem gut erhaltenen Bodenfund aus dem Besitz von Charles Boissonnas (1832-1912) in der Sammlung Carl Beck vertreten. Mit dem Aufkommen des Plattenharnischs in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts änderten sich auch die Klingen der beiden wichtigsten Griffwaffen, Schwert und Dolch. Anstelle der bisher üblichen Schwertklingen zu Hieb und Stoss fanden vermehrt Stossschwerter mit schmalen, aber robusten Klingen Verwendung. Auch bei den Griffwaffen vom Baselardtyp, bei Kurzschwertern oder Dolchen, stellt man zu Ende des 14. Jh. fest, dass die anfänglich eher flachen, zweischneidigen, durch dickere rhombische, nur noch zum Stoss geeignete Klingen ersetzt werden. Das vorliegende Exemplar mit den für Baselards typischen doppelten Kehlungen lässt sich daher in die Zeit um 1400 datieren.

Literatur: Slg. Carl Beck, Katalog 1998, S. 17/21, Nr. 1, Farbtafel. Lionello G. Boccia, Armi d'attaco, da difesa e da fuoco, la collezione d'armi del Museo d'Arte Medievale e Moderna di Modena, Modena 1996, S. 37-38, Nr. 80, S. 115, Abb. 80.