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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 520

Dolch, wohl französisch, 2. Hälfte 19. Jahrhundert

Beschnitzter Elfenbeingriff, Knaufpartie als lorbeerbekränzter Totenkopf gearbeitet, Vernietknauf, Griffstück vierkantig, die Ecken werden jeweils von zwei übereinander gestellten Knochen gebildet. Um und zwischen den Knochen winden sich zwei Schlangen. S-förmige Parierstange in Form einer Schlange aus vergoldetem Eisen.
Dreikantige, volle Klinge (Länge 26,4 cm, Breite 1,4 cm), Klingenwurzel und Ort vierkantig, im Ansatzbereich geätzter und vergoldeter Ranken- und Blattdekor.

Gesamtlänge: 42,8 cm, Gewicht: 335 g
Provenienz: Slg. Robert Fazy, Pully/Lausanne 1959.

Kommentar

In der Zeit des Historismus, zwischen Biedermeier und Jugendstil, vor allem nach den kriegerischen Jahren von 1850/60 ist eine zunehmende Verwendung von antiken Waffen, Waffenkopien und Waffenimitationen als Ausstattungstücke adeliger und bürgerlicher Wohnräume festzustellen. Von Bedeutung für die Entdeckung der Waffe als Dekorationsstück scheint in diesen Jahren vor allem der im deutschen Kulturraum festzustellende Stilwandel hin zur Neorenaissance gewesen zu sein. Um in den auch als «altdeutsch» bezeichneten, Neorenaissance-Interieurs malerische Effekte zu erzielen, wurden die Waffen trophäenartig gruppiert und besonders wertvolle oder dekorative Einzelstücke an prominenter Stelle plaziert. Selbst der Altmeister der historischen Waffenkunde, Wendelin Boeheim, empfahl: «Wer aber nur wenige, aber künstlerisch wertvolle, schöne und seltene Stücke besitzt, der verzichte darauf, sie vereint aufzustellen oder gar zu gruppieren. Der lege sie, wenn die Gegenstände es erlauben, auf Tische, Etageren und Kommoden in seinen Wohnzimmern…». Dank ihres kleinen Formats eigneten sich Dolchmesser und Dolche ganz besonders als Schreibtischschmuck des Hausherrn. Den Klingen dieser Dekorationsstücke wurde üblicherweise nicht grosse Aufmerksamkeit geschenkt. In dieser Hinsicht bildet die Stilettoklinge nach italienischer Art des 17. Jahrhunderts der vorliegenden Waffe eine Ausnahme. Wesentlich war die künstlerische Ausschmückung des Dolchgefässes und der Scheide. Man wählte gerne historische (z. B. Könige und Heerführer) oder mythologische Sujets, es wurden auch Gestalten aus Sage oder Literatur bemüht, die als Bildprogramm möglichst eindrücklich, häufig plastisch umgesetzt wurden. Der mit einem lorbeerbekränzten Totenschädel geschmückte Elfenbeingriff vermag als «memento mori» den Betrachter an den stets siegreichen Tod zu erinnern, die Schlangen, ebenfalls ein Todessymbol, lassen sich auch als Allgegenwart der Sünde oder Versuchung interpretieren. Der symbolträchtige Dolch befand sich ursprünglich im Besitz des Bundesrichters Robert Fazy (1872 – 1956).
Literatur: L. G. Boccia, L’Armeria del Museo Civico Medievale di Bologna, Bologna 1991, S. 139, Nr. 284 mit Abb. Boeheim, Waffenkunde op. cit., S. 585. Gerd Heinz Mohr, Lexikon der Symbole, Bilder und Zeichen der christlichen Kunst, München 1988, S. 252, 255/257. Seitz, Blankwaffen II op. cit., S. 356/357, Abb 320. Renaissance der Renaissance, ein bürgerlicher Kunststil im 19. Jahrhundert, Schriften des Weserrenaissance-Museums, Schloss Brake bei Lemgo, Nr. 5, München/Berlin 1992, S. 254/258.