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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 754

Halbharnisch mit Sturmhaube und ganzem Armzeug, schweizerisch Anfang 17.Jahrhundert. Mit zugehöriger Puppe Ende 19.Jahrhundert, bestehend aus einem beschnitzten Holzkopf und hölzernen Beinen samt Schuhen, beide bemalt.

Sturmhaube: zweiteilige Glocke, bestehend aus zwei separaten geschmiedeten Hälften, die überlappt und vernietet wurden. Hoher Kamm, im Grat überlappter Kamm mit gekerbter Borte. Die Glockenhälften münden in den spitz endenden Augenschirm. Wangenklappen mit kreisförmig angeordneten Punktdurchbrechnungen. Zugespitzter Nackenschirm eingenietet. Augen- und Nackenschirm sowie Wangenklappen weisen geschnürlte Borten auf. Im Nacken eine eingenietete Federtülle aus Eisenblech. Die Nietköpfe sind mehrheitlich aus Messing.
Kragen: ursprünglich zweiteilig und aufklappbar, jetzt vernietet und geschlossen. Hals dreifach geschoben, geschnürlter Bortenabschluss, beidseitig zwei schmale Schulterschübe mit geschnürlten Borten. Auf den Abschlussschüben lange, ergänzte, gefederte Nasenbolzen.
Armzeugpaar: siebenfach geschobener Oberarmteil, offene Muscheln (Armkacheln), Unterarmröhren aufklappbar mit Schnappbolzenverschluss. Die Schübe im Schulterbereich und die Enden der Unterarmröhren sind mit versenkt geschlagenen Randleisten und geschnürlten Borten ausgestattet.
Brust: leicht gewölbt, Mittelgrat, tiefliegender Tapul (Zuspitzung). Hals- und Armausschnitte mit geschnürlten Borten. Als Dekor eine gravierte Zierlinie im oberen Brustbereich in geschwungener Form, seitlich bogenförmig fortgesetzt. Ein Bauchreif, beidseitig jeweils mit einer Serie von drei vernieteten Riemen zur Befestigung der beiden Beintaschen.
Rücken: in der Mitte vertikal etwas eingetieft. Hals- und Armauschnitte mit geschnürlten Borten. Eine gravierte Zierlinie ähnlich der Zierlinie auf der Brust. Drei absteckbare Gesässreifen, beidseitig mit Oesen- und Hakenbefestigung. Unten seitlich der eingenietete, zweiteilige lederne Leibriemen mit Schnalle.
Zweiteiliges Beintaschenpaar: obere Beintaschenhälfte sechsfach geschoben, die untere absteckbare, ursprünglich nicht zugehörige Hälfte ist fünfach geschoben. Befestigung der unteren Beintaschenhälften mittels drehbaren Nasenbolzen. Auf den obersten Schüben jeweils eine Serie von drei vernieteten Schnallen aus Messing.
Alle Teile des Harnischs sind blank. Die Nietköpfe sind aus dekorativen Gründen mehrheitlich aus Messing, ebenso die Nietscheiben und Schnallen. Im Verlauf der Restoration durch das Atelier I.Ashdown, Onnens VD, wurde die Belederung teilweise erneuert, fehlende Nieten, Nietscheiben und Schnallen ergänzt.
Harnischpuppe, schweizerisch Ende 19.Jahrhundert, bestehend aus einem geschnitzten, bärtigen Männerkopf, Unterarmen mit Händen sowie Beinen mit Schuhen. Der Kopf und die Unterarme sind naturalistisch, die Beine weiss-rot bemalt. Das Mittelstück der Puppe, der Rumpf und die roten Pumphosen wurden in Anlehnung an die bisherige Konstruktion und Ausstattung ergänzt.
Provenienz: Hélène Robert, Neuchâtel 1954.

Kommentar

Der in Zeughausmanier zusammengestellte Halbharnisch umfasst Teile unterschiedlicher Fertigung aus der Zeit von ca. 1600 - 1625. Ein und derselben, wohl schweizerischen Werkstatt sind Brust, Rücken und die obere Hälfte der Beintaschen zuzuschreiben. Von unterschiedlicher Fertigung und assortiert sind Helm, Kragen, Armzeug und der absteckbare untere Teil der Beintaschen.
Die um 1620 zu datierende, eher grob gearbeitete Sturmhaube dürfte ursprünglich geschwärzt gewesen sein. Die rauh erscheinende, wenig geglättete, unpolierte Oberfläche ist ein verlässliches Indiz. Eine Schwärzung ermöglichte es die vergleichsweise mit einer aus einem Blechstück getriebenen Helmglocke weniger anspruchsvolle aus zwei Hälften bestehende Konstruktion besser zu kaschieren. Die hauptsächlichsten Gründe blanke Waffenteile sei es bei Harnischen oder Griffwaffen zu schwärzen waren die sich ergebenden Dekormöglichkeiten und weitaus gewichtiger, der Rostschutz.
Keiner der Harnischteile ist gemarkt, so dass eine produktionsmässige Zuschreibung nur anhand von stilistischen und konstruktionstechnischen Elementen möglich ist. Für eine bessere Identifikation können vor allem schweizerische Altbestände an Harnischen aus den Zeughäusern Solothurn, Zürich, Bern und Basel zu Rate gezogen werden. Im Gegensatz zu den umliegenden Ländern wurde in der Schweiz eine altertümlich anmutende, als alteidgenössisch eingestufte Form des Halbharnisches bis ca.1630 hergestellt und während noch längerer Zeit getragen. Ein besonders schönes, 1610 datiertes Beispiel eines derartigen «Schweizerharnisch»gehörte dem Solothurner Schultheissen Johann Jakob vom Staal (1592-1657). In Bern waren es vor allem die Vertreter, der von ca.1570 bis 1660 aktiven Harnischerdynastie Burenküng («Purenküng»), die als Hersteller von Schweizerharnischen in Frage kommen. In Solothurn arbeiteten in der fraglichen Zeit Angehörige der Familien Dodinger und Gerthofer und der aus Innsbruck zugezogene Praxmeier als Harnischer (Plattner). Wegeli erwähnt unter anderem die einfache Linienverzierung auf Brust und Rücken ähnlich dem vorliegenden Harnisch als ein Charakteristikum bernischer, möglicherweise auch solothurnischer Schweizerharnische. Ein weiteres bekanntes Merkmal sind die nach 1600 vermehrt gefächerten Schulterstücke in deren Zentrum zum Schmuck oftmals ein aus Messing gegossener, vergoldeter Löwenkopf angebracht wurde. Auffallend ist bei diesen Harnischen auch die Präzision der Ausführung und die Liebe zum Detail, beispielsweise die äusserst fein und gleichmässig geschnürlten Borten oder die aus einer Vielzahl von Schüben zusammengesetzten Beintaschen und Schultern. Es scheint, dass Schweizerharnische hauptsächlich in Bern, aber auch in Solothurn, Freiburg, hergestellt worden sind. Der Anteil von Zürich und Basel bezüglich dieses Schutzwaffentyps wäre zu untersuchen. Eine umfassende, auf einer breiten Materialbasis ( Realstücke, Archiv und Ikonographie) beruhende Untersuchung zur Problematik, «Schweizerharnische», steht noch aus.
Die Harnischpuppe scheint in Anlehnung an entsprechende Vorbilder im Alten Zeughaus Solothurn im letzten Viertel des 19.Jahrhunderts angefertigt worden zu sein.

Lit.Nicolo Vital, Alte Zeughaus Solothurn, Solothurn 1980, S.122-123, Puppe mit Halbharnisch, S.164-165. Rudolf Wegeli, Katalog der Waffen-Sammlung im Zeughause zu Solothurn, Solothurn 1905, S.25-26, Nr.185, 113. Rudolf Wegeli, Inventar der Waffensammlung des Bernischen historischen Museums in Bern, I.Schutzwaffen, Bern 1920, S.44-46, S.69-70, Nr.89., S.73-76, Nrn.93-95. Ortwin Gamber, F.Anders, L.G.Boccia, H.R.Robinson, Glossarium Armorum, Arma Defensiva, Schutzwaffen, Graz 1972. Schneider, Schweizer Waffenschmiede op. cit., S. 22-24, 70-71, 87, 105, 119, 215. H.Schneider, Die Harnischproduktion in der Schweiz am Beispiel von Zürich, Zeitschrift für Archäologie und Kunstgeschichte, Zürich 1971, S.175. Marco A. R. Leutenegger, Zwischen Politik und Krieg, Wehrhafte Eidgenossen im 16. Jahrhundert, Solothurn / Coburg 2005.