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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 275

Schwert, Zeremonienschwert
holländisch, 1753, für den am 17. Januar 1753 zum Bürgermeister von Maastricht gewählten Johann Heinrich Reinick

Eisengefäss, geschwärzter, walzenförmiger Knauf, oben beidseitig mit zwei kurzen, massiven Schnabelfortsätzen. In der Front flache, achtkantige Parierstange, Bläuungsspuren, Arme gegen die Enden hin breiter werdend, Abschlüsse dreifach gezackt. Griff mit Eisendrahtwicklung von unterschiedlicher Verarbeitung und Stärke, Türkenbünde.
Zweischneidige Klinge (Länge 108, 8 cm, Breite 4,6 cm), linsenförmiger Querschnitt, beidseitig im Ansatzviertel ein breiter Mittelhohlschliff. Im Bereich des Ansatzdrittels ein geätzter, vergoldeter und gebläuter Dekor: Inschrift in rechteckiger Kartusche, «IOHANNES HENRICUS REINICK IS TOT BORGEMESTER GEKOOSEN DEN 17 January 1753»
(Johann Heinrich Reinick wurde am 17. Januar 1753 zum Bürgermeister gewählt), darüber das Wappen der Stadt Maastricht, Schild mit einem fünfzackigen Stern, der an einer Kordel hängend von einem Engel gehalten wird.

Gesamtlänge: 136,5 cm, Gewicht: 1560 g
Provenienz: Vente Hôtel Drouot, Importante collection d’armes anciennes du 15e au 18e siècle, Paris, 5. 12. 1966, Nr. 94.

Kommentar

Im prächtigen, 1659 – 1664 nach den Plänen des Nordniederländers Pieter Post errichteten Stadthaus von Maastricht werden noch 12 Schwerter aufbewahrt, die den Bürgermeistern im 18. Jahrhundert als Zeremonialwaffen dienten. Das älteste noch erhaltene Schwert wurde für den am 7. Oktober 1732 gewählten Godart van Slijpe angefertigt, das jüngste Schwert war für den am 16. September 1790 zum Bürgermeister erkorenen J. A. S. Munix bestimmt.
1632 eroberten holländische Truppen unter dem Kommando des Statthalters Friedrich Heinrich, Graf von Nassau (1625 – 1647) das damals noch zu den spanischen Niederlanden gehörende Maastricht. Von 1632 bis zum Ende des Ancien Régime mit dem Einmarsch der Franzosen 1794 wurde die Stadt paritätisch regiert, d. h. der städtische Magistrat setzte sich je zur Hälfte aus katholischen und protestantischen Räten zusammen. Das Bürgermeisteramt wurde abwechslungsweise nach einem bestimmten Turnus mit einem Vertreter der Katholiken oder der Protestanten besetzt.
Die Zugehörigkeit eines Bürgermeisters zur katholischen Ratshälfte lässt sich nur auf dem Schwert des am 24. September 1764 gewählten W. H. Cruts feststellen, der als Vertreter des bischöflichen Gerichts von Lüttich bezeichnet wird. Cruts wurde am 10. September 1778 erneut Bürgermeister, auf die Anschaffung eines neuen Schwertes verzichtete man. Auf seiner Waffe von 1764 genügte ein kurzer, gravierter Hinweis : «10 SEPT. ITERUM CONSUL NOMINATUS». Für folgende Bürgermeister sind Schwerter in doppelter Ausführung vorhanden: 1. J. H. van Brienen 1736, 2. J. H. van Slijpe 1772, 3. S. P. J. Munix 1774, 4. J. A. S. Munix 1790. Zu den bisher bekannten Schwertern von 1732, 1736, 1764 (und 1778), 1772, 1774 und 1790, wäre das Schwert aus der Slg. Carl Beck für Bürgermeister Johann Heinrich Reinick von 1753 hinzuzufügen. Bei der Herstellung der Bürgermeisterschwerter, die anscheinend paarweise verwendet wurden, achtete man auf eine gewisse Einheitlichkeit. Die Gefässe waren mit speziellen Knäufen und Parierstangen ausgestattet, die sich in vergleichbarer Form vom 16. – 18. Jh. nicht nachweisen lassen. Die Klingen entsprechen typologisch zeitgenössischen Reiterdegenklingen und unterscheiden sich von diesen nur in der Dimension. Für den Gebrauch dieser Waffen als Zeremonien-Vortragsschwert spechen nicht nur die Grösse, sondern auch Dekor und Inschrift, die bei vertikalem Tragen sichtbar resp. lesbar sind. Über das mit den Schwertern verbundene Zeremoniell sind wir zur Zeit noch nicht informiert, es bleibt zu hoffen, dass sich ein holländischer Historiker dieser Frage annimmt, zumal noch andere Städte, z. B. Roermond (Provinz Limburg), Bürgermeisterschwerter kannten. Nachdem Maastricht zu wiederholten Malen, 1673, 1748 und zuletzt 1794 von französischen Truppen erobert und besetzt wurde, gelangte möglicherweise das Schwert von 1753 als Beute in französischen Besitz.
(Jan Piet Puype, Konservator Legermuseum Delft, stellte freundlicherweise die für den Katalogeintrag benötigten Informationen zur Verfügung.)
Literatur: S. Minis, Van Huis der Raden tot Tempel der Rede, de inrichting van het stadhuis van Maastricht (1664 – 1814), Een seer magnifick Stadthuys, o. J (ca. 1990), S. 77. Percy Ernst Schramm, Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, 3 Bde. Stuttgart 1954/56, Schriften der MGH, Bd. 13.