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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 186

Säbel, französisch um 1830, Stabsoffizier

Messinggefäss vergoldet, unter Verwendung von gegossenen und ziselierten Teilen montiert. Vierkantige Parierstange, schmale oben gerade Mitteleisen, Parierstangenarme gegen die Enden hin dünner werdend, Abschlüsse in Zapfenform mit Blätterkranz an der Basis. Griff beidseitig mit glatten, hellen Hornplatten belegt, zweifach vernietet. Die Nietstellen bedecken Zierscheiben aus Messing. Im gewinkelten, gerundeten Knauffortsatz dient eine messingverkleidete, röhrchenförmige Öffnung zur Befestigung einer Fangkordel oder eines Schlagbandes. Den Griffrücken sowie die gefingerte Unterseite des Griffes bedecken Messingschienen.
Volle Damast-Rückenklinge, «Wootz», (Länge 74,5 cm, Breite 3,1 cm), sogenannte «Shamshir-Klinge». Mit schwarzem Leder bespannte, auf der Vorderseite mit versilbertem Kupferdraht vernähte Scheide, Messinggarnitur vergoldet, langes Mundblech, das in einem gebuckelten Ringband endet, in der Scheidenmitte ein weiteres gebuckeltes Ringband, langer Stiefel mit Schlepper. Gefäss und Scheidengarnitur sind en suite dekoriert: Symmetrisch angeordnete Blattmotive und Ornamente über einem fein punzierten oder gerauhten Grund. Die Kanten wurden blank belassen und poliert.

Gesamtlänge: 88,8 cm, Gewicht (ohne Scheide): 880 g, Gewicht (mit Scheide): 1480 g
Provenienz: Antiquar Georges Charliot, Flohmarkt, Paris, Mai 1960.

Kommentar

Der unter Verwendung einer nahöstlichen, wohl importierten Damastklinge in Frankreich hergestellte Säbel ist mit einem sogenannten «Mameluckengefäss» ausgestattet. Die ¬Mamelucken, ursprünglich eine aus Sklaven aus dem Schwarzmeergebiet gebildete Söldnertruppe und Garde, beherrschte seit 1257 Ägypten und Syrien, sie mussten nach der Eroberung durch die Türken 1517 die Oberhoheit des Sultans anerkennen. Im Verlauf des Ägyptenfeldzugs 1798/1799 unter dem Kommando von Bonaparte besiegten die französischen Truppen in mehreren Schlachten und Gefechten auch die Mamelucken unter Murad Bey. Die von den Mamelucken vielfach virtuos geführten Säbel beeindruckten französische Offiziere durch ihre Wirkung im Kampf, in gleichem Masse aber auch durch die Qualität ihrer Klingen sowie die reiche Ausstattung. Sie entsprachen entweder dem im vorderen Orient verbreiteten Säbeltyp «kilidj» oder «pala», letzterer mit einer relativ breiten, im Ortbereich noch breiter werdenden, zweischneidigen Rückenklinge (vgl. Kat. Nr. 24) oder den als «shamshir» (scimitar) bezeichneten eher schmalklingigen Säbeln. Nach dem Abschluss des Ägyptenfeldzugs fand eine unbekannte Anzahl von Orientsäbeln den Weg nach Frankreich, die unter der Bezeichnung «Sabre du Retour d’Egypte» weiterhin zum Einsatz kamen. Zur Popularität dieser attraktiven Griffwaffe mochte unter anderem auch die 1802 auf Veranlassung Bonapartes eingerichtete Mameluckengarde beigetragen haben, die mit entsprechenden Säbelmodellen französischer Produktion bewaffnet worden war. Im Anschluss an die napoleonische Ära, während der Restauration, vor allem im Verlauf der Kriege in Nordafrika 1830 – 1847, die mit der Eroberung Algeriens durch Frankreich endeten, gehörten die Säbel «à l’orientale» weiterhin zu den bevorzugten, nicht reglementarischen Griffwaffen französischer Offiziere. Die in Frankreich hergestellten Säbel im orientalischen Stil mit Mameluckengefässen, deren Griffe an zeitgenössische Pistolengriffe erinnern, waren vielfach mit «originalen» Damastklingen und Scheiden orientalischer Machart ausgestattet.
Aus dem Besitz des Genfers Louis Frédéric Jacques Rilliet de Constant (1794 – 1856),
Kavallerieoffizier in napoleonischen Diensten, nach 1814/15 Hauptmann der Schweizergarde Ludwigs XVIII., 1837 eidgenössischer Oberst, 1847 Kommandant der 1. Division im Sonderbundskrieg, erhielt das Schweizerische Landesmuseum 1953 eine Reihe von Waffen und anderen Erinnerungsstücken, darunter einen Säbel mit Mameluckengefäss (LM 24372), der konstruktions- und dekormässig weitgehend mit dem Exemplar aus der Slg. Carl Beck übereinstimmt. Rilliet, der 1822 den französischen Dienst quittierte, erhielt diese Waffe von einem französischen Husarenoffizier als Geschenk.
Die Bezeichnung «Mameluckengefäss» ist jedoch nicht französischen sondern englischen Ursprungs, «mameluke-hilt». Seit den Kriegen in Indien, an welchen in den Jahren 1797 – 1805 auch der spätere Feldmarschall und Herzog von Wellington (1769 – 1852) als Kommandeur teilnahm, erfreuten sich orientalische Säbel, vor allem Säbel mit dem sogenannten «mameluke- hilt» in England zunehmender Beliebtheit. Dazu soll auch Wellington beigetragen haben, der mit einigen Exemplaren aus Indien zurückkehrte. Um die Franzosen aus Ägypten zu vertreiben, landete am 8. März 1801 eine englische Armee von 16000 Mann, bei der sich auch das Schweizerregiment von Roll befand, im Bereich des Nildeltas. Die im Verlauf des Jahres besiegten französischen Truppen wurden Ende September 1801 auf englischen Schiffen nach Frankreich zurück transportiert. Im März 1803 zogen die Engländer aus Ägypten ab. Wohl unter dem Eindruck des Ägyptenfeldzugs von 1801/1803 wurde in England das charakteristische Säbelgefäss mit den Mamelucken in Verbindung gebracht. Säbel mit Mameluckengefässen fanden als reglementarische Griffwaffe vor allem in England Verbreitung. Nach dem Säbel Mod. 1822 für Offiziere der Lanzenreiter folgten weitere Einheiten der leichten Kavallerie. Am bekanntesten ist das englische Modell von 1831 mit elfenbeinbelegtem Griff für Feldmarschälle und Generale, welches noch heute im Gebrauch ist. Die Verwendung von Säbeln mit Mameluckengefässen als reglementarische oder persönliche Griffwaffe lässt sich im 19. Jahrhundert auch bei der englischen und amerikanischen Marine sowie bei beinahe allen europäischen Armeen nachweisen.
Literatur: Aries, Armes blanches op.cit., Vol. XI, 1 fasc. 1969, «Sabres des Mameluks de la Garde, troupe et officiers 1802 – 1815. Richard H.Bezdek, American Swords and Sword Makers, Boulder 1994, S. 544, 601/602. Jean et Raoul Brunon, Les Mameluks d’Egypte et de la Garde Impériale, Marseille 1963, S. 22. Rudolf Jaun, Der Schweizerische Generalstab, das Eidgenössische Generalstabskorps 1804 – 1874, Basel/Frankfurt a. M. 1983, Bd. 3, S. 148/149. Lhoste/Resek, Sabre op.cit., S. 55/61. Hans Pestalozzi, Das Schweizerregiment von Roll in englischem Dienste 1795 bis 1816, Neujahrsblatt der Feuerwerker-Gesellschaft, Zürich 1893. Brian Robson, Swords of the British Army, the Regulation Patterns, 1788 to 1914, London 1996, S. 90, Abb. 73, S. 94/97, Abb. 79, 81/86, S. 204/206, Abb. 194/
195. Seitz, Blankwaffen II op. cit., S. 348/349. Schweiz. Landesmuseum 1954, 62. Jahresbericht,
S. 13, 32, 44, Abb. 33.