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zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 712

Dolch, «Nobili-Dolch»,
italienisch, 1725, Venedig

Silbergefäss, aus gegossenen und ziselierten Teilen zusammengesetzt, vergoldet, berieben. Kugeliger Knauf mit konischen Ansätzen, Knaufbasis ebenfalls konisch. Dekormittelband mit Zierrillen und Wulsten, langer, gegliederter Vernietknauf. Parierstangenarme gerundet, genoppt und stark ortwärts gebogen, Enden in der Art des Knaufs gearbeitet. An der Griffbasis angelötetes Zierelement: über einer runden, zehnteiligen Rosette bilden Plättchen aus gerolltem Silberdraht eine kleine Halbkugel, auf der Unterseite zweimal die venezianische Silberbeschau, in der Mitte der Halbkugel und an der Basis gefasste, bunte Glassteine. Griff mit Silberdrahtwicklung, Türkenbünde.

Volle Dreikantklinge (Länge 31,5 cm, Breite 1,2 cm), Seitenflächen mit tiefen Kannelüren und Punktdurchbrechungen. Klingenwurzel vierkantig, mehrfach gekehlt. Silberscheide, teilvergoldet, Mundbereich vierkantig, dann dreikantig, rückwärtige Tragöse, Ortknopf in der Art des Knaufs. Auf den beiden Scheidenvorderseiten gravierte, symmetrisch angeordnete Blätterfolge. Die mehrheitlich glatte Rückseite weist im Mund- und Ortbereich einen einfachen, ornamentalen, gravierten Dekor auf. Gravierte Jahrzahl «1725» und das Besitzermonogramm «MET» unter einem Kreuz in einer Kartusche, viermal die venezianische Silberbeschau, verwischt.

Gesamtlänge: 46,4 cm, Gewicht (ohne Scheide): 300 g, Gewicht (mit Scheide): 425 g
Provenienz: Aus Privatbesitz, Emmenbrücke (Kt. Luzern). Ehemals Slg. von Schwerzenbach, vgl. Galerie Fischer, Luzern/Zürich, 7. 5. 1935, Nr. 250, Tafel 14.

Kommentar

In der waffenkundlichen Literatur werden diese Dolche entweder als «Nobili-Dolche» (Forrer 1905, Gessler 1935) oder als «Schiavona dagger» (Blair 1962, Peterson 1968, Dufty 1974) bezeichnet. Mit der venezianischen Schiavona hat dieser Dolch bestenfalls die Verwendung im Gebiet der ehemaligen Republik Venedig gemeinsam. Hinsichtlich der Funktion als Galawaffe einer gehobenen Gesellschaftsschicht, den «Nobili» (nobile = vornehm, Adeliger), unterscheidet sich der luxuriöse Silberdolch deutlich von der Schiavona, einer militärischen Griffwaffe mit Eisengefäss und belederter Scheide. Selbst wenn sich bei beiden Griffwaffentypen der Einfluss «Dalmatiens» nachweisen lässt, ist einstweilen dem von Forrer lancierten Begriff «Nobili-Dolch» den Vorzug zu geben. Möglicherweise erübrigt die Entdeckung einer zeitgenössischen, quellenmässig noch zu belegenden Dolchbezeichnung schon bald einmal die begriffliche Neuschöpfung.

Die oftmals auf den Scheiden datierten Dolche (z. B. 1715, 1725, 1743, 1749, 1761 und 1775) lassen sich von ca. 1700 bis in die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts nachweisen. Auf silbernen Gegenständen, auch silbernen Griffwaffengefässen und Scheiden wurde bis 1810 das gebräuchliche venezianische Kontrollzeichen für Silberarbeiten, ein geflügelter Löwenkopf, der «Markuslöwe», kombiniert mit zwei Buchstaben, zumeist mehrfach eingeschlagen. Leider sind diese Beschauzeichen häufig stark verwischt, so dass eine exakte Auswertung oftmals nicht mehr möglich ist.

In seiner typischen Form und Verarbeitung lässt sich das Gefäss des Nobili-Dolches erstmals um 1700 nachweisen (Ineichen, Zürich 1977, Nr. 430). Im Unterschied zu einem späteren Exemplar von 1715 (Ineichen, Zürich 1977, Nr. 463) endeten die Parierstangen anfänglich in stilisierten Tierköpfen (Drachen?); die Einheitlichkeit der «Turbanabschlüsse» von Griff, Parierstange und Scheide scheint sich zwischen ca.1700 und 1715 herausgebildet zu haben. Der älteste zur Zeit bekannte Nobili-Dolch ist im Gegensatz zu späteren Ausführungen mit einer massiven, zweischneidigen, rhombischen Klinge ausgestattet, die beidseitig neben einem gekerbten Mittelgrat je ein Kannelürenpaar aufweist. Sie wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts von der vollen Stiletto-Klinge abgelöst, die schon bald mit Kannelüren etc. versehen, als Klingentyp für Nobili-Dolche ihre definitive Form fand. Die Scheiden waren zu Beginn des 18. Jahrhunderts nielliert und graviert; auf das Niellieren wurde in späteren Jahren verzichtet. In seiner um 1720 voll ausgebildeten Form dürfte der dekorative Nobili-Dolch als Teil der Männerkleidung bis zum Untergang der Republik bei vornehmen ¬Venezianern einen dem Galadegen vergleichbaren Stellenwert gehabt haben.

Ein montenegrinischer Dolchtyp, der in die letzten Jahre des 18. Jahrhunderts und ins frühe 19. Jahrhundert datiert wird, stimmt bezüglich Gefäss- und Scheidenform, aber auch hinsichtlich des Klingentyps, auffallend mit dem venezianischen Dolch überein. Als Gefäss- und Scheidenmaterial wurde Silber oder Messing verwendet. Unterschiede betreffen gewisse formale Details, z. B. den Flügeldekor der Scheide, die Parierstange; er weist zudem eine unterschiedliche, in Montenegro und Albanien beliebte Oberflächenbearbeitung auf. Das Verhältnis des montenegrinischen Dolches, ebenfalls eine «Kostüm- oder Trachtenwaffe», zum Nobili-Dolch, bedarf der Klärung. Es fällt jedoch auf, dass der seltenere, im Balkan beheimatete Dolch erst um 1800 auftaucht, nachdem die Waffe der venezianischen «Nobili» ihre Bedeutung verloren hat. Ein 1793 datiertes Exemplar in der Sammlung des Museo Poldi Pezzoli, Gefäss und Scheide aus Messing, ist das älteste bekannte Beispiel eines Dolches, der Elemente des Nobilidolches und der montenegrinischen Variante vereinigt.

Literatur: Armes Anciennes des Collections Suisses, Musée Rath, Genève 1972, S. 48, Nr. 208, «1749». Boccia/Godoy, Museo Poldi Pezzoli II op. cit., S. 464, Nr. 739, Abb. 843. Enciclopedia ragionata delle armi, hg. Claude Blair, Milano 1979, S. 422/423, «Schiavona». R. Forrer, Die Schwerter und Schwertknäufe der Sammlung Carl von Schwerzenbach – Bregenz, Leipzig 1905, S. 60, Tafel 59. Galerie Fischer, Luzern/Zürich, 7. 5. 1935, Nr. 249,«1761», Nr. 250, «1725», Nr. 252, «1743», Tafel 14. Galerie Fischer, Luzern, 5/7. 10. 1995, Nr. 721. Claude Blair, European & American Arms, New York 1962, Abb. 219. Jacob, Armes blanches op. cit., S. 124, 152. Auktionshaus Peter Ineichen, Zürich, 24. 5. 1977, Nr. 430 um 1700, Nr. 463, «1715», Tafel 7. Piero Pazzi, I punzoni dell’argenteria e oreficeria veneta, Rovigo 1992. Harold L. Peterson, Daggers & fighting Knives of the World, London 1968, S. 52, Abb. 63. Southwick, Edged weapons op.cit., S. 204, Nr. 596. «1775».