Lange, blattförmige Spitze, beidseitig betonter Mittelgrat, der sich über das ganze Eisen bis zur Tülle hinzieht. Kleines Blatt mit stark konkaver Schneide in schmalen Halsansatz übergehend. Auf dem flachen Schnabelhaken eine einseitig eingeschlagene Meistermarke: Reichsapfel in einer schildförmigen Kartusche, Schnabelrücken mit grossem Zierhaken. Konische Tülle und zwei Schaftfedern, Rundschaft, alt ergänzt. Das Halbarteneisen (ohne Bänder) weist einen reichen, teilweise vergoldeten Ätzdekor auf, geschwärzter Punktgrund: Spitze beidseitig mit der Darstellung des gekrönten, doppelköpfigen Reichsadlers, darunter in einer Kartusche die Besitzerangabe, «HER HOVPTMAN IOST GREDER DES RATS ZVO SOLOTHVRN 1607», die Spitzenbasis nimmt beidseitig die französische Lilie in einem grossen ovalen Medaillon ein. Auf dem Blatt erscheint das Solothurnerwappen zwischen den Buchstaben «S» und «O», auf der Rückseite das vereinfachte Wappen der «Greder von Wartenfels» zwischen den Buchstaben «I» (= Jost) und «G» (= Greder). Diese Dekorelemente werden von Rankenwerk, Ornamenten und Bordüren umrahmt.
Gesamtlänge: 223,2 cm, Halbarteneisen (ohne Federn): 46,8 cm, Gewicht (mit Schaft): 2425 g
Provenienz: Aus Privatbesitz, Neuenburg 1954.
Jost Greder (1553 – 1629), Angehöriger eines alten Solothurner Geschlechts, seit 1570 in französischen Diensten, wurde 1616 Inhaber eines eigenen Regiments. In diplomatischen Missionen war er immer wieder für seine Vaterstadt und den französischen König tätig. ¬Seine Einkünfte erlaubten es Greder, 1600 die Herrschaft und das Schloss Wartenfels von seinem ehemaligen militärischen Vorgesetzten, dem ebenfalls in Solothurn ansässigen Obersten Lorenz Arregger (gest. 1616) zu erwerben. Auch Arregger erhielt 1607 als amtierender Schultheiss eine Paradehalbarte (seit 1995 im Museum Altes Zeughaus Solothurn, Inv. MAZ 15344)), die mit dem grederschen Exemplar konstruktions- und dekormässig weitgehend übereinstimmt. Unterschiede betreffen vor allem Wappen und Inschrift: «HER LORENZ ARREGGER RITTER GEWESNER OBRISTER VND SCHVLTHEIS ZV SOLLOTHVRN 1607». Beide Paradehalbarten dürften Teil einer kleinen Serie gleichartiger Waffen gewesen sein, die bei Festlichkeiten, Empfängen, z. B. dem Einzug des in Solothurn residierenden französischen Botschafters, zur Bewaffnung einer Ehrengarde gedient haben.
Eine weitere Halbarte im Besitz des Museums Altes Zeughaus Solothurn (Inv. MAZ 1731) ist mit einem gleichen, aber weniger reich geschmückten Eisen ausgestattet. Auf der etwas defekten Spitze wurde der doppelköpfige Reichsadler nur auf einer Seite eingeätzt, die andere Seite nimmt eine «naturalistische» Adlerdarstellung ein. Es fehlen Besitzer- oder Stifterinschrift und Jahrzahl, das Blatt zeigt jedoch wie die übrigen Paradehalbarten das Solothurner Wappen zwischen «S» und «O».
In der 1904 aufgelösten, bekannten Sammlung von Karl Gimbel befand sich eine 1616 ¬datierte Solothurner Paradehalbarte, die sich aber in Form und Dekor von den bisher erwähnten Exemplaren merklich unterschied. Das Halbarteneisen war mit einem barock anmutenden, S-förmig geschweiften Blatt ausgestattet sowie mit dem obligaten Wappen zwischen «S» und «O» und der Jahrzahl «1616», dazu einer nur zum Teil geätzten Spitze. Die etwas einfacheren Ausführungen, ohne Namen und Wappen der Besitzer waren vermutlich für die Mannschaft bestimmt. Die Halbarten von Greder und Arregger sind daher als Offizierswaffen einzustufen.
Mit reich geätzten und vergoldeten Halbarten gerüstete Trabanten gehörten üblicherweise zu einer fürstlichen Hofhaltung und waren Ausdruck eines entsprechenden Repräsentationswillens. Die Solothurner Paradehalbarten, die ebenfalls einen «höfischen Anspruch» dokumentieren, unterscheiden sich deutlich von den damals in der Schweiz gebräuchlichen Kampfhalbarten.
(Dr. Erich Meyer, Starrkirch-Wil SO, danke ich für seine Hinweise, ebenso Dr. Marco Leutenegger, Museum Altes Zeughaus, Solothurn).
Literatur: Slg. Carl Beck, Katalog 1998, S. 28/31, Nr. 4, Farbtafel. Auktionshaus Rudolph Lepke, Berlin, Sammlung Karl Gimbel, 30. 5./3. 6. 1904, S. 43, Nr. 723, Tafel 19. Erich Meyer, Jost Greder von Wartenfels 1553 – 1629, Jahrbuch für Solothurnische Geschichte, 47. Bd. 1973, S. 219/263. Beglinger / Leutenegger op. cit., S.50, S.244, MAZ 15344.