zurück
zur Zeit nicht ausgestellt
Inv.-Nr.: Be 616

Sponton,
deutsch, 2. Viertel 18. Jahrhundert, Offizier

Blattförmiges, vergoldetes Eisen (Länge 25,5 cm, Breite 5,5 cm), im Ort blank, beidseitig ein betonter Mittelgrat. Blattbasis mit der durchbrochen gearbeiteten und gravierten Darstellung eines doppelköpfigen, von einer Krone überhöhten Adlers, der in seinen Fängen Szepter und Schwert hält, restliche Blattfläche mit graviertem, ornamentalem Dekor. Konische vergoldete Eisentülle, ein Zierband begrenzt das Mittelfeld mit Rillendekor, -Parierknebelpaar. Zwei Schaftfedern, geschwärzter Rundschaft, Stiefel spiralig gerillt.

Gesamtlänge: 251,5 cm, Gewicht (mit Schaft): 1140 g
Provenienz: Galerie Jürg Stuker, Bern 1957.

Kommentar

Im 1678 in Paris publizierten «Traité des Armes …» des Hauptmanns de Gaya widmet dieser ein kurzes Kapitel einer bisher wenig bekannten Stangenwaffe: «Des Spontons». Die Spontons oder «demy-Piques» waren gemäss Gaya anfänglich mit den gleichen Eisen wie die langen Piken ausgestattet, die Schäfte entsprachen verarbeitungsmässig ebenfalls den herkömmlichen Piken hatten aber die Länge der damals üblichen Partisanen. Gaya berichtet auch, dass die Spontons zu jener Zeit speziell von den Venezianern und Angehörigen des Malteserordens verwendet wurden. Es dürfte sich dabei um die in Italien um 1700 unter dem Namen «mezza picca» bekannte Waffe handeln. Auch die mit kleinen Partisaneneisen ausgestatteten, was die Länge betrifft den «mezza picca» entsprechenden Stangenwaffen werden in Italien als «mezza picca a partigiannetta» oder «spuntone» bezeichnet. Für die gleichen in Frankreich von 1714 – 1766 für Unteroffiziere gebräuchlichen, 6 1/2 – 7 Fuss (= 211 cm) langen Waffen mit kleinen Partisaneneisen verwendet man den eher verwirrlichen Begriff «hallebardes de sergent».
Die französische Ordonnanz von 1690 schrieb für alle Offiziere den Sponton mit einer Länge von 7 1/2 – 8 Fuss (243,6 – 259,9 cm) als Bewaffnung vor. Der reglementarische Sponton diente als Waffe und Rangabzeichen, war aber auch als Kommandiergerät von Nutzen. Im Dezember 1710 während des spanischen Erbfolgekrieges sah sich Ludwig XIV. erneut veranlasst, die Verwendung des Spontons zu regeln. Man hatte festgestellt, dass die Offiziere teils mit Spontons, teils mit Gewehren an den Kämpfen teilnahmen. Um die Uniformität sicher zu stellen, ordnete der König an, dass sich Hauptleute und Stabsoffiziere des Spontons bedienen sollen, Subalternoffiziere konnten ihre Gewehre weiterhin gebrauchen. In der am 1. Mai 1754 von Ludwig XV. erlassenen Ordonnanz wurde schliesslich die Beschaffenheit des Spontons detailliert festgelegt: «Der Sponton hat eine Länge von 7 Fuss (227,4 cm), davon entfallen 8 Zoll (21,6 cm) auf das Spontoneisen, 4 Zoll (10,8 cm) auf die Tülle, 5 Fuss 9 Zoll (186,8 cm) auf den Schaft und 3 Zoll (8,1 cm) auf den Stiefel. Der Schaft besteht aus Eschenholz von einem Zoll (2,7 cm) Durchmesser. Zwei Schaftfedern von genügender Dicke, 6 Linien (13,5 mm) breit, erstrecken sich von der Tülle in einer Länge von 18 Zoll (48,7 cm) in Richtung Schaft und werden von sechs Nägeln mit gerundeten Köpfen festgehalten. Der Sponton wiegt 3 Pfund». Bereits zur Zeit des Kriegsministers Marc Pierre, Graf d’Argenson (1743 – 1751) hatte man ein neues Spontonmodell geschaffen. Mit der königlichen Ordonnanz vom 6. Mai 1755 wurde der Sponton für alle Offiziere erneut zur obligatorischen Bewaffnung erklärt. 1758 insistierte Ludwig XV., dass die Bataillonskommandanten, Oberstleutnants und Obersten die unbeliebte Stangenwaffe weiterhin zu verwenden hätten. Die Abneigung der Offiziere gegenüber dem als sperrig und wenig praktisch empfundenen Sponton ist um so verständlicher, wenn man die 1755 minutiös reglementierte Handhabung dieser Waffe in Betracht zieht. Gemäss Buttin wurden in Frankreich bis zur Revolution Spontons bestenfalls anlässlich von Musterungen und Revuen getragen. Aries schreibt ohne Angabe von Quellen, dass der Sponton schon 1752 aus den Linienregimentern verschwunden und bis 1784 nur noch von den Offizieren der französischen und schweizerischen Garderegimenter verwendet worden sei.
Dem französischen Beispiel waren um und nach 1700 andere europäische Staaten gefolgt, indem sie für ihre Offiziere ebenfalls reglementierte Spontons einführten. Preussen entwickelte zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine besondere Form des Spontoneisens, das von anderen deutschen Staaten, von Dänemark und in späteren Jahren auch Russland übernommen wurde. Das Kaiserreich Österreich gab spontonartigen Waffen mit Partisaneneisen den Vorzug. Der französische Spontontyp fand u. a. Nachahmer in Savoyen, Süddeutschland und der Schweiz. So werden im bernischen Zeughausinventar von 1702 bereits 77 Spontons aufgelistet. In Zürich scheint man die ersten Spontons erst nach der 2. Schlacht bei Villmergen von 1712 angeschafft zu haben. Im Militärreglement des Kantons Zürich von 1770, komplettiert und erschienen 1778, werden für Offiziere «saubere Espontons (mit der Lanze 7 Schuh hoch)» gefordert. Die Gesamtlänge der seit 1746 nachweislich mit gedrechselten «Rillenschäften» versehenen zürcherischen Offizier-Spontons wurde damit auf 211 cm festgelegt. Anscheinend nicht nur Frankreich (1784?), auch Bern schaffte 1785 die für Offiziere vorgesehenen Gewehre und Spontons ab, «… da diese den Herren Officiers nicht nur auf dem Marsch und im Feld, sondern auch auf den jährlichen Musterungen zur Beschwärd gereichen». Weil dem Degen nach dem Wegfall des Spontons beim «exercieren und comandieren» grössere Bedeutung zukam, wurde vom bernischen Kriegsrat 1786 ein offizielles Degenmodell für Offiziere angenommen und zur «allgemeinen Einsicht» als Muster ins Zeughaus gelegt. Zürich behielt die Spontons bis zum Untergang des Ancien Régime.
Quellen u. Literatur: Staatsarchiv Bern – KRM 75, S. 19, 19. 12. 1785, S. 23. 5. 1. 1786. Zeughaus¬inventar Nr. 650, 1702 – 1707. Staatsarchiv Zürich – F III 42, Zürcher Zeugamtsrechnungen, 1715, 1717, 1746, Auszüge als Manuskript im Schweiz. Landesmuseum, Zürich. Aries, Armes blanches op. cit., Vol. XIV 4 fasc.1969, «Hallebardes de sergent de 1714 à 1766». Vol. XV 1 fasc. 1970, «Demi-piques ou espontons des officiers d’infanterie jusqu’à leur suppression par le règlement de 1755».
L. G. Boccia, L’Oploteca nel Museo Nazionale di Ravenna, Ravenna 1989, S. 106/109, Nrn. 115/
132. Maurice Bottet, L’arme blanche de guerre française au XVIIIe siècle, Paris 1910, S. 66/67. Charles Buttin/François Buttin, L’esponton d’officier, Bulletin de la Société des Amis du Musée de l’Armée, No 50, S. 34/39. Anton Dolleczek, Monographie der k. u. k. österr.-ung. Blank- und Handfeuerwaffen, Wien 1896/Graz 1970, S. 36/37. Dizionari Terminologici, Bd.3, Armi bianche dal medioevo all’età moderna, hg. Carlo De Vita, Firenze 1983, Tafeln 75/76, «Spuntone», «Mezza Picca». Gaya’s Traité des Armes 1678, hg. Charles Ffoulkes, London 1911, S. 34/35, Tafel 5. «Militar-Ordonanz für die Landmiliz des Canton Zürich von 1770», S. 97. Wegeli, Stangenwaffen op. cit., S. 159, 171/175. Bernd A.Windsheimer, ME FECIT POTZDAM, altpreussische Blankwaffen des 18. Jahrhunderts, Bissendorf 2001, S. 76/81.